DOMRADIO.DE: Gibt es eine Möglichkeit einen dementen Papst abzusetzen?
Prof. Dr. Georg Bier (Lehrstuhl für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte der Universität Freiburg): Nein, die gibt es kirchenrechtlich nicht. Es gibt Möglichkeiten, im Falle einer solchen Demenz zu überlegen, wie man die Zeit überbrückt.
Der Papst ist ja auch ein Bischof, ein Bischof von Rom. Und wie jeder Diözesanbischof ist er gehalten, für einen solchen Fall eine Liste zu hinterlegen, in der Vertreter benannt werden und in der geklärt wird, wie es weitergeht.
Besonders schwierig beim Papst ist allerdings, dass er nicht einfach ein Bischof der katholischen Kirche ist, sondern zugleich auch Leiter der Universalkirche. Kirchenrechtlich ist vorgesehen, dass im Falle einer Behinderung des Papstes - darunter würde dann auch eine solche Demenz fallen, bei der er seine Amtsgeschäfte nicht mehr wahrnehmen kann - an der Leitung der Gesamtkirche nichts geändert werden kann.
Insbesondere gibt es niemanden, der entscheiden könnte, dass der Papst abgesetzt wird oder jetzt nicht mehr Papst ist. Das geht nicht, weil der Papst als Papst die höchste Gewalt in der Kirche hat. Es gibt keine Instanz in der katholischen Kirche, die rechtlich gesehen die Kompetenz, die Befugnis hätte, eine solche Erklärung abzugeben.
DOMRADIO.DE: Das heißt aber, dass es eventuell Vertreter gibt. Dann würde der Papst vielleicht etwas in den Hintergrund treten und die Vertreter des Papstes würden quasi seine Amtsgeschäfte übernehmen?
Bier: Nein. Es wäre die Frage, wie diese Vertretung auf der Ebene der Gesamtkirche dann tatsächlich zu organisieren wäre. Für die Diözese ist das relativ klar geregelt. Da gibt es dann Menschen, die vom Diözesanbischof in dieser Liste benannt sind. Eine Reihenfolge derer wird festgelegt, die im Falle einer Verhinderung vorübergehend die Diözese leiten.
Eine vorübergehende Leitung der Gesamtkirche ist in dem Sinne nicht vorgesehen. Vielmehr sagt der Gesetzgeber, dass im Falle einer solchen vollständigen Behinderung des Papstes an der Wahrnehmung seines Amtes in der Leitung der Gesamtkirche nichts geändert werden darf.
Also tagesaktuelle Dinge, wenn das geregelt ist, können erledigt werden. Das ist klar. Der Betrieb steht nicht still.
Aber solange der Papst lebt, bleibt er der Papst. Es gibt niemanden, der ihn absetzen kann, der in dem Sinne an seine Stelle treten kann, dass er nun selber Papst wird. Auch das Kardinalskollegium hat, solange diese Behinderung besteht, nicht das Recht, einen neuen Papst zu wählen.
Es sei denn, der Papst hätte diesen Fall dezidiert in irgendeinem Papier geregelt, das er für diesen Fall vorbereitet hat und wo dann entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Es könnte sein, dass der Papst eine solche Verfügung getroffen hat, wo dann auch genau drinsteht, wie in diesem Fall zu verfahren ist. Aber das wissen wir nicht.
Rechtlich ist der Fall nicht geregelt. Wenn wir zwei Jahrzehnte zurückgehen, zu Papst Johannes Paul II.: Da wurde die Diskussion auch geführt. Da gab es deutliche Anzeichen dafür, dass er am Ende seiner Kräfte ist, nicht, dass er Papst dement ist. Da hat es aber anscheinend keine Verfügungen dieser Art gegeben.
Ob das jetzt unter Franziskus auch mit Blick darauf, dass die Weltkirche gesehen hat, wie das mit einem Papst gehen kann, der alt wird und dann vielleicht auch nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte ist, anders ist, das weiß ich nicht.
DOMRADIO.DE: Wenn der amtierende Papst tatsächlich Vorkehrungen für einen solchen Fall treffen würde, würde das dann nicht auch am Amtsverständnis des Papstes ein bisschen rütteln?
Bier: Warum meinen Sie? Er könnte doch sagen: "Es kann ein Zustand eintreten, den ich nicht absehen kann, in dem aber schon feststeht, dass ich nicht nur meine Amtsgeschäfte nicht mehr wahrnehmen kann, sondern in dem ich auch nach menschlichem Ermessen gar nicht mehr in die Lage kommen werde, meine Amtsgeschäfte wahrzunehmen." Also Demenz, Alzheimer-Krankheit, der Papst wird komatös, oder ähnliches.
Der Papst ist der Papst. Er kann auch für solche Sonderfälle spezielle Verfügungen treffen. Das würde aus meiner Sicht nicht an seinem Amtsverständnis rütteln, sondern würde sogar zeigen, dass er weiterdenkt und dass er auch diesen vielleicht unwahrscheinlichen, aber nicht unmöglichen Fall in seine Gedanken einbezieht und dass er verantwortlich handelt und dafür sorgen will, dass die Kirche auch in diesem Moment nicht einfach gelähmt ist.
Denn, wenn es solche Verfügungen nicht gibt und der Zustand zieht sich über mehrere Jahre hin - was ja leicht der Fall sein kann - dann würde der Betrieb zwar nicht stillstehen, aber es dürften auch keine weiterreichenden Entscheidungen getroffen werden. Denn das ist genau mit dieser rechtlichen Bestimmung verbunden, dass es heißt: In der Gesamtkirche darf nichts geändert werden. Es darf das Tagesgeschäft organisiert werden, aber wirklich weitergehende Entwicklungen könnten dann gar nicht angestoßen werden.
Und jetzt stellen Sie sich vor, dass ein Papst allmählich dement wird und dann über fünf oder vielleicht sogar noch mehr Jahre nicht agieren kann. Das wäre ja schon sehr schwierig für die katholische Kirche. Von daher hielte ich es durchaus gar nicht für eine Schwächung des Papstamtes, sondern für eine Stärke des jeweiligen Papstes, wenn er für einen solchen Fall Vorkehrungen trifft.
Das Interview führte Florian Helbig.