DOMRADIO.DE: Wie groß ist denn Ihre persönliche Freude darüber, dass das Oktoberfest dieses Jahr wieder stattfindet?
Rainer Maria Schießler (Münchner Stadtpfarrer): Also, aufgrund der Gesamtlage ein bisschen verhalten natürlich. Ich habe die Pressekonferenz von unserem Oberbürgermeister verfolgt und ich finde, er hat das sehr gut und sehr gewählt gemacht.
Zunächst einmal: Wir haben schon damit gerechnet, dass dies so sein wird, denn er hat ja selber gesagt, er hat nicht um uns auf die Folter zu spannen so lange gewartet, sondern viele wichtige Gespräche geführt. Aber dadurch, dass das Frühlingsfest schon läuft und auch andere Volksfeste, war eigentlich nicht abzusehen, dass jetzt die Wiesn das dritte Mal ausfallen sollte.
Aber es wäre natürlich viel schöner, wenn es wirklich nur das Ende der Pandemie wäre, die es uns ermöglicht, wieder die Wiesn zu feiern.
Der Krieg in der Ukraine liegt wie ein Schatten über allem. Das ist halt leider auch da. Der Oberbürgermeister hat gesagt, das muss jeder mit sich selber ausmachen, ob er da feiern kann.
DOMRADIO.DE: Aber glauben Sie, dass es unbeschwert geht?
Schießler: Es geht. Wir erleben es ja gerade mit unserem Frühlingsfest. Die Leute brauchen das Fest, auch vom christlichen Standpunkt her. Der Mensch ist für das Fest bestimmt, deshalb ist Jesus immer bei Festmählern, bei der Hochzeit zu Kana erschienen. Der Mensch ist zum Feiern des Lebens bestimmt. Der Mensch braucht es unbedingt, aber er kann ja nicht so tun, als wenn es das andere nicht gäbe.
Jetzt kann man natürlich sagen, früher hat es auch Kriege gegeben, ja, die waren weiter weg, da waren wir nicht so involviert, der war noch nie so nah bei uns wie jetzt.
Es wird natürlich mit im Bewusstsein sein. Ich denke, so wie wir heuer Ostern gefeiert haben. Wir haben wirklich festlich Ostern gefeiert und trotzdem anders, weil es einfach präsent ist, das ganze Geschehen. Aber wenn es pandemisch jetzt keinen Grund zur Absage gibt, dann ist es notwendig das wieder mehr auszuprobieren.
DOMRADIO.DE: Obwohl das Corona-Virus ja noch nicht ganz weg ist.
Schießler: Ja, aber es soll ja völlig ohne Regeln gehen. Wir haben ja leider die Impfpflicht nicht zusammengebracht. Ich bin schon das zweite Mal geboostert. Ich möchte einfach hier voll auf Sicherheit gehen. Das muss aber jeder für sich selber sehen. Ich weiß, sollte ich mich auf dem Oktoberfest infizieren, weil da was ist, mir könnte so schnell nichts passieren, weil ich gut geschützt bin. Da muss jeder auf sich selber schauen.
DOMRADIO.DE: Wenn aber das Oktoberfest dann doch noch abgesagt werden muss, weil zum Beispiel der Krieg in der Ukraine noch mehr eskaliert, wer zahlt dann die Kosten, die entstanden sind?
Schießler: Also der Oberbürgermeister hat ganz klar gesagt, der Münchner Steuerzahler wird es nicht zahlen. Bund und Freistaat müssen dann in die Bresche springen. Hoffen wir auf diplomatische Lösungen. Hoffen wir. Das kann doch nicht sein, dass jemand die ganze Welt in den Abgrund treibt. Und wenn wir das wirklich hinkriegen würden, was wäre das dann erst recht ein Grund, so ein Fest zu feiern? Also ich gebe meine Hoffnung nicht auf. Ich bin von Natur aus und vom Glauben her einfach auf Hoffnung gepolt.
DOMRADIO.DE: Und wenn es tatsächlich stattfindet, wie stark werden Sie dann involviert sein dieses Jahr und in welcher Form?
Schießler: Ich habe mir gedacht, ich könnte mit dem lieben Gott einen Deal machen. Du schaust, dass die Wiesn wieder stattfindet und ich gehe ein elftes Mal raus als Bedienung. Mein Wirt würde Freudentänze aufführen, hat er mir schon berichtet. Aber ich bin jetzt jenseits der 60. Man muss das Feld einfach den Jungen überlassen. Aber Stammgast bin ich auf alle Fälle.
Das Interview führte Martin Mölder.