Demnach gibt es eine Mehrheit von 5 zu 4 Stimmen für ein Ende des Grundsatzurteils "Roe v. Wade", das seit 1973 die Rechtsprechung in den Vereinigten Staaten zu Schwangerschaftsabbrüchen bestimmt.
Chefrichter John Roberts bestätigte am Dienstag die Echtheit des Dokuments, über welches das Online-Portal "Politico" berichtete, betonte aber, es sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Er ordnete eine Untersuchung des Vorgangs an.
Reaktionen auch von Bischöfen
"Heute Abend denke ich an all die Jahre harter Arbeit von Menschen, die sich für das Leben einsetzen, egal ob sie gläubig sind oder nicht", twitterte unterdessen der katholische Erzbischof von San Francisco, Salvatore Cordileone. Auch Bischof Joseph Strickland von Tyler in Texas reagierte erfreut auf das 98-Seiten-Papier. "Gott sei Dank für die Entscheidung des obersten Gerichts", so der Geistliche.
"Lasst uns beten, dass die Herzen sich ändern und die Heiligkeit ungeborenen Lebens in unserer Nation wieder anerkannt wird."
Wenn in diesem Sommer das Supreme-Court-Urteil so ausfalle, wie es dem Entwurf entspreche, dann sei das "ein großer Sieg für eine konsequente Vision der Menschenrechte", kommentierte der Autor Charles Camosy für den "Religion News Service".
Rechtsexperten befürchten Vertrauensverlust
Die zahlreichen Wortmeldungen bewerten das Papier jedoch nicht nur inhaltlich. Die Tatsache, dass ein interner Entwurf des obersten Gerichts an die Öffentlichkeit gelangte, halten viele Kommentatoren für einen Skandal. Rechtsexperten befürchten einen gravierenden Vertrauensverlust zwischen den Richtern und ihren Mitarbeitern.
Auch Jeanne Mancini, Präsidentin des "March for Life", verurteilte die Indiskretion. "Dieses Leck soll den Prozess korrumpieren. Es ist herzzerreißend, dass einige Abtreibungsbefürworter vor nichts zurückschrecken, um das Gericht einzuschüchtern, egal welche Konsequenzen das hat", so die Aktivistin.
Anders fiel die Reaktion führender Demokraten im Kongress aus. "Wenn der Bericht authentisch ist, steht der Supreme Court kurz davor, die größten Rechtseinschränkungen in den vergangenen fünfzig Jahren zu erlassen", kritisierten Sprecherin Nancy Pelosi und Senatsführer Chuck Schumer in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Werden Abtreibungen nach 15. Schwangerschaftswoche verboten?
Richter Samuel Alito, der dem Supreme Court seit 2006 angehört, hat in dem durchgestochenen Entwurf das bislang gültige Grundsatzurteil "Roe v. Wade" als "schlecht durchdacht" bezeichnet. Dadurch sei "ein Recht erfunden worden, das nirgendwo in der Verfassung erwähnt wird." Dem Papier schlossen sich vier weitere konservative Richter an, darunter drei, die vom damaligen Präsidenten Donald Trump berufen worden waren.
Gemäß der aktuellen Rechtslage in den USA sind Abtreibungen weitgehend Privatangelegenheit. Erst im späteren Verlauf der Schwangerschaft, etwa ab der 23. Woche, nimmt der Schutz ungeborenen Lebens sukzessive zu.
Für den Sommer wird das Urteil des Supreme Court zu einem Gesetz aus Mississippi erwartet, das es direkt darauf anlegt, "Roe v. Wade" zu kippen. Es sieht vor, die meisten Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche zu verbieten. In der Geschichte des Supreme Court war bislang nie ein Entscheidungsentwurf vorab an die Öffentlichkeit gelangt.