DOMRADIO.DE: Sie haben am Sonntag in Bottrop in der Gemeinde Sankt Joseph den Segen gespendet. Wie viele Menschen haben denn an dem Wortgottesdienst mit Segnungsfeier teilgenommen?
Rebecca Weidenbach (Gemeindereferentin in der Duisburger Innenstadt): Es waren circa 20 Paare und auch Einzelteilnehmende dabei.
DOMRADIO.DE: Wer lässt sich denn da segnen? Welche Konstellationen gibt es?
Weidenbach: Gefühlt alle. Es waren verheiratete Paare, es waren Freunde, es waren Familien. Es waren Pärchen, die erst ganz frisch zusammengekommen sind und das irgendwie als Auftakt gesehen haben. Jeder Lebensentwurf, jede Liebesgeschichte hatte eigentlich Platz und so ist auch das Angebot angenommen worden.
DOMRADIO.DE: Sie standen danach mit weiteren Seelsorgerinnen und Seelsorgern zum Gespräch bereit. Haben diese Menschen das Angebot dann auch genutzt?
Weidenbach: Vereinzelt. Es ist natürlich auch immer noch mal eine Beziehungssache, sich zu öffnen und auf jemanden zuzukommen. Ich war jetzt die Außenstehende in dieser Pfarrei und als unterstützende Seesorgerin noch mit dabei.
Es kommen immer nochmal Einzelne, die vielleicht keinen leichten Weg hinter sich hatten, aber auch nochmal gerne sagen, wie wertvoll sie es finden, dass wir uns verändern und dass wir uns öffnen. So ein Seelsorge-Gespräch ist immer ein Gespräch unter vier Augen. Das heißt: Was wir besprochen haben, behalte ich für mich.
DOMRADIO.DE: Homosexuelle Paare dürfen laut Amtskirche eigentlich nicht gesegnet werden. Homosexualität ist keine Verbindung, die die katholische Kirche gutheißt, kann man vielleicht sagen. Trotzdem möchten auch gleichgeschlechtliche Paare den Segen. Steht das nicht im Widerspruch?
Weidenbach: Ja vielleicht, wenn man die römisch-katholische Amtskirche so sieht. Ich sage aber auch immer noch dazu: Mein Gott diskriminiert nicht.
Ich bin Seelsorgerin für eine Kirche, die auf Nächstenliebe beruht. Und genau das ist es, was wir auch diesen Paaren mitgeben. Wir sagen: Ja, ihr seid willkommen. Ja, ihr seid Teil der Kirche, denn ohne euch wäre Kirche auch nicht das, was sie ist.
DOMRADIO.DE: Vor einem Jahr haben die Segnungsgottesdienste als Reaktion auf das Nein aus dem Vatikan zur Segnung homosexueller Paare stattgefunden. Haben Sie als Seelsorgerin und Gemeindereferentin das Gefühl, dass im vergangenen Jahr etwas in der Kirche passiert ist? Vielleicht auch durch die Outing-Kampagne #outinchurch.
Weidenbach: Ich persönlich habe auf jeden Fall das Gefühl. Mein Freundeskreis ist bunt durchmischt und durch meine Tätigkeit in einer Innenstadt-Pfarrei begegne ich ganz vielen Liebes- und Lebensgeschichten. Auch die fühlen sich gehört und gesehen.
Ich stelle immer stärker fest, dass Leute sagen: Ja, ich bin homosexuell. Ja, ich habe vielleicht auch eine Lebensgeschichte, wie etwa Scheidung und neue Partnerschaft, bei der oft ausgegrenzt wird. Aber Sie fühlen sich trotzdem bei der Kirche zu Hause.
Das hat in diesem Jahr schon viel angeregt. Gerade #outinchurch hat nochmal gezeigt, dass es nicht nur um Homosexualität geht, sondern dass die ganze LGBTQ-Szene da ist. Die Menschen sagen: Ja, wir sind Kirche, wir leben in Jugendarbeit, wir leben im Freiwilligendienst, wir leben in der Katechese und leben all das, was zur Kirche dazugehört. Ohne uns würde einfach was fehlen. Aber jetzt können wir uns auch öffentlich zeigen.
Das hat, glaube ich, ganz vielen Menschen gezeigt: Hey, wir sind nicht alleine. Auch das spüre ich als Seelsorgerin. Denn immer mehr sind offen und verstecken sich nicht mehr. Ganz schlimm fand ich, dass sie sich verstecken mussten. Jetzt ermöglichen wir einfach den Raum, dass sie sich zeigen dürfen und gewollt sind.
DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass solche Aktionen dazu führen, dass den Menschen die Kirche in dieser Krise durch solche Aktionen auch mal positiv auffällt?
Weidenbach: Ja! Wenn nicht damit, womit sonst? Einfach um zu zeigen: Mein Gott diskriminiert mich nicht. Das ist irgendwie mein Leitwort geworden. Ich kann so sein, wie ich will und ich kann auch einfach mal das Positive in dem Ganzen wahrnehmen.
Das ganze letzte Jahr war in vielen Bereichen nicht gerade das beste Jahr für die katholische Kirche in Deutschland. Das ist so ein positiver Faktor. Natürlich hat auch die Kampagne #outinhurch dazu beigetragen. Aber vorher hatten sich schon durch die Aktion "Liebe gewinnt" ganze Gemeinschaften in Deutschland gebildet und vernetzt. Einfach, um zu zeigen: wir sind bereit, können uns vernetzen und unsere Stimme ist stark und groß.
Das Interview führte Tobias Fricke.