Ehemalige First Lady Marianne von Weizsäcker wird 90

"Da sitzt man automatisch ein bisschen aufrechter"

Die First Lady in der Zeit des Mauerfalls wirkte eher im Hintergrund, nahm ihre Aufgabe aber sehr bewusst wahr – was ihr Mann Richard zu schätzen wusste. Jetzt wird Marianne von Weizsäcker 90 Jahre alt.

Autor/in:
Nina Schmedding
Richard von Weizsäcker (m.), regierender Bürgermeister von Berlin, und Joachim Meisner (r.), Bischof von Berlin, geben Kindern Autogramme am 25. Februar 1983 in der Deutschlandhalle in Berlin (KNA)
Richard von Weizsäcker (m.), regierender Bürgermeister von Berlin, und Joachim Meisner (r.), Bischof von Berlin, geben Kindern Autogramme am 25. Februar 1983 in der Deutschlandhalle in Berlin / ( KNA )

Heike Specht kann sich noch gut an die persönliche Begegnung und das Gespräch mit Marianne von Weizsäcker erinnern. Sie besuchte sie vor ein paar Jahren in ihrem Berliner Zuhause. "Da sitzt man automatisch ein bisschen aufrechter", erzählt die Historikerin rückblickend. Sie recherchierte damals für ihr Buch "Ihre Seite der Geschichte. Deutschland und seine First Ladies", in dem sie sich den deutschen Präsidentengattinnen sowie Kanzlerehefrauen, deren Rolle und historischem Beitrag widmet.

Das Gespräch mit Marianne von Weizsäcker sei eine der "beeindruckendsten Begegnungen" gewesen, sagt Specht. "Richard von Weizsäcker wurde Bundespräsident, als ich Teenager war, und insofern hat mich seine Amtszeit sehr geprägt." Am Dienstag wird die Ehefrau des 2015 verstorbenen Staatsoberhauptes, die zurückgezogen in der Hauptstadt lebt, 90 Jahre alt.

Behütete Kindheit in Kriegszeiten

Marianne von Kretschmann wurde 1932 in Essen geboren. Während des Zweiten Weltkriegs war sie mit Mutter und Geschwistern für einige Zeit nach Oberstdorf evakuiert. Ihre Kindheit war behütet, so weit das in Kriegszeiten eben möglich war. Sie selbst beschrieb dies im "Spiegel"-Magazin einmal so: "Manchmal spielten wir Kinder auch Bombenangriff auf Ameisen und Käfer. Ich war ja erst sieben Jahre alt, als der Krieg ausgebrochen war, in meinen Erinnerungen damals war es immer Krieg."

Nach dem Abitur absolvierte sie in Hamburg auf der Höheren Handelsschule eine kaufmännische Ausbildung. 1953 heiratete sie Richard von Weizsäcker, der als Jurist bei Mannesmann arbeitete. Er war zwölf Jahre älter, hatte im Zweiten Weltkrieg gekämpft und bereits in den ersten Kriegstagen seinen älteren Bruder verloren, der wenige hundert Meter entfernt von ihm fiel.

Mit Kopftuch und Schürze im Garten

"Er war gezeichnet vom Krieg, sie war jemand, der ziemlich unberührt war von 'der bösen Politik'", erklärt Specht. "Das war vielleicht etwas, was ihn angezogen hat. Wie viele dieser Generation sehnte er sich womöglich nach einer Art von Zuhause, das unberührt war von dem Schrecken."

Zwischen 1954 und 1960 bekam Marianne von Weizsäcker vier Kinder. Ab 1981 übernahm sie als Frau des Regierenden Bürgermeisters von Berlin repräsentative und karitative Pflichten auf Landesebene. 1984 wurde ihr Mann zum Bundespräsidenten gewählt. Sie zogen nach Bonn in die Villa Hammerschmidt, wo Marianne von Weizsäcker fortan als Chefin des Hauses galt. "Die Mitarbeiter in Bonn wussten, dass sie den Laden zusammenhält", so Specht. So konnte es etwa passieren, dass sie einen Tisch neu eindecken ließ, weil der Knick einer Tischdecke nicht korrekt war. Auch habe man immer damit rechnen müssen, dass sie plötzlich im Garten auftauchte, in dem sie sich gern betätigte - mit Kopftuch und Schürze.

Sorge um suchtkranke Menschen

In ihrem Amt als First Lady sei sie "sicherlich kein politischer Sparringpartner" gewesen wie Elly Heuss-Knapp oder eine Doris Schröder-Köpf, erklärt Specht. "Aber sie war eine wichtige Beraterin, die auch seine Außenwirkung im Blick hatte, ihm etwa zuflüsterte, er solle sich aufrecht halten."

Unter den zahlreichen Aufgaben, die ihr als Frau des Bundespräsidenten zuwuchsen, nahm die Sorge um suchtkranke Menschen eine besondere Stellung ein. 1989 rief sie die "Stiftung Integrationshilfe für ehemals Drogenabhängige" ins Leben, für die sie sich bis heute einsetzt. Außerdem war sie Mitglied des Kuratoriums der nationalen AIDS-Stiftung. Die Frau des Bundespräsidenten sprach nicht nur offen über HIV und AIDS, sondern besuchte auch Betroffene und holte die Krankheit damit aus der Tabuzone, was in den 1980er Jahren nicht selbstverständlich war.

Von Weizsäcker laut Umfrage bester Bundespräsident seit 1979

37 Prozent der Deutschen halten einer Umfrage zufolge Richard von Weizsäcker für den besten Bundespräsidenten seit 1979.

Auf Platz zwei liegt Frank-Walter Steinmeier, der sich am 13.02.2022 zur Wiederwahl für das Amt des Staatsoberhauptes stellt, mit 14 Prozent, wie das Nachrichtenportal t-online am Samstag in Berlin berichtete.

Altbundespräsident Richard von Weizsäcker / © Ronald Wittek (dpa)
Altbundespräsident Richard von Weizsäcker / © Ronald Wittek ( dpa )

Zwei ihrer Kinder überlebt

Im Sommer 1989 waren die Gorbatschows zu Gast in der Villa Hammerschmidt. Der Besuch diente vor allem dem Vertrauensaufbau. "Ohne den intensiven Austausch in diesem Sommer wenige Monate vor dem Fall der Mauer wären die Dinge im Herbst des Jahres womöglich anders verlaufen", schreibt Historikerin Specht. Es sei vermutlich kein Zufall, dass Richard von Weizsäcker in seinen Memoiren diesen Besuch zum Anlass nahm, den Beitrag seiner Frau zu würdigen. Sie leiste "eine ebenso hochinteressante wie harte Arbeit, die maßgeblich dazu beiträgt, die Belange unseres Landes gut gelingen zu lassen", schrieb er.

In ihrem außergewöhnlichen Leben musste die ehemalige First Lady auch viel Leid ertragen: So hat sie zwei ihrer Kinder überlebt. Ihr Sohn Andreas starb 2008 mit 51 Jahren an Krebs, sein Bruder Fritz wurde 2019 mit 59 Jahren von einem psychisch kranken Mann bei einem öffentlichen Vortrag in Berlin durch einen Messerstich getötet.

Quelle:
KNA