Der 47-jährige ehemalige Verwaltungschef des Bistums und Stellvertreter von Bischof Karl-Heinz Wiesemann lege "keine Abrechnung, aber eine schonungslose Bilanz und ein Eingeständnis von Scheitern, auch persönlichem" vor, teilte der Herder-Verlag am Montag in Freiburg mit. Das Buch trägt den Titel "Ich muss raus aus dieser Kirche" und soll am 15. Juni erscheinen.
Übertritt zur altkatholischen Kirche
In dem Buch gehe es über Sturms spektakulären Schritt, "der die Kirche verändern wird", heißt es. Der liberale katholische Theologe hatte am vergangenen Freitag alle kirchlichen Ämter niedergelegt und seinen Austritt aus der katholischen Kirche erklärt. Zudem kündigte er an, als Priester in die Altkatholische Kirche überzutreten, die den Papst als oberste Autorität ablehnt und Frauen die Priesterweihe ermöglicht. Mit der Segnung homosexueller Paare stellte sich Sturm, der seit 2018 Generalvikar des Bistums Speyer war, gegen den Vatikan in Rom. Auch sprach er sich für ein Ende des Zölibats für katholische Priester und die Weihe von Frauen zu Priesterinnen aus.
Der Verlag veröffentlichte nun in einer Pressemitteilung zentrale Passagen des Buches, das Aufschluss über die Rücktrittsgründe Sturms geben solle. Dessen Reformvorschläge könnten die katholische Kirche verändern und zukunftsfähig machen, aber ohne ihn, heißt es weiter.
Keine Hoffnung auf Wandel der Kirche
Der ehemalige Generalvikar habe für sich erkannt: "Ich muss raus aus dieser Kirche, weil ich meinen Glauben retten will. Weil ich Mensch bleiben will." Sturm sei einer der mächtigsten Kirchenmänner Deutschlands gewesen und sei immer mehr zum Gesicht einer reformfähigen Kirche geworden.
Der Hoffnungsträger habe allerdings selbst keine Hoffnungen auf einen Wandel seiner Kirche mehr gehabt und deshalb mit seinem Austritt konsequent gehandelt, so der Verlag. Damit spreche er Hunderttausenden Menschen aus der Seele und zeige all die Missstände von Kirche aus der Perspektive eines Theologen auf, der ganz oben in der Hierarchie gestanden sei. Zu dem Buch, an dem der Verlag derzeit "unter Hochdruck" arbeite, konnte eine Sprecherin am Montag gegenüber dem Evangelischen Pressedienst keine weiteren Angaben machen.
Dank der Katholiken im Bistum
Katholiken im Bistum Speyer dankten Andreas Sturm für seine Arbeit. Der Vorstand der Diözesanversammlung betonte am Montag, Sturm habe Themen vorangebracht und für Missbrauchsaufarbeitung und Geschlechtergerechtigkeit gestanden. "Die Gründe des Rücktritts können wir nachvollziehen und doch bedauern wir, einen menschennahen Fürsprecher, der für eine moderne Kirche steht, nicht mehr als Mitstreiter an unserer Seite zu wissen", so die Diözesanversammlung.
Der Katholikenrat äußerte am Montag ebenfalls Bedauern. Sturms Wechsel zur altkatholischen Kirche wirke authentisch. Die Situation der katholischen Kirche lasse viele zweifeln, ob sich Strukturen ändern ließen. Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in der Pfalz zeigte sich betroffen. Mit Sturm gehe ein Fürsprecher einer menschennahen und modernen Kirche.
Eineinhalb Jahre mit Rücktritt gerungen
In einem Interview mit dem "Mannheimer Morgen" (Dienstag) sagte Sturm, er habe eineinhalb Jahr mit seinem Rücktritt gerungen. Dabei seien eine Vielzahl von Gründen verantwortlich gewesen. "Missbrauch war ein großes Thema", so der ehemalige Verwaltungschef und Stellvertreter des Bischofs von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann.
Die Vorstellung der Forschungsergebnisse der MHG-Studie im September 2018 habe sein Weltbild "ziemlich zerrüttet", sagte Sturm. "Ich bin immer davon ausgegangen, dass es Missbrauch in der Kirche gibt, aber dass es im Vergleich zur Gesamtgesellschaft prozentual so hohe Fallzahlen sind, und zu erleben wie schwer sich Kirche mit dem Umgang tut, war ein starkes Kriterium."
Gehadert habe er auch mit dem Umgang mit Frauen in der katholischen Kirche. "Ich finde, wir versuchen das immer schönzureden", meinte Sturm. "Jesus hat nicht nur Männer berufen. Wir negieren Berufungen von Frauen." Theologisch gebe es viele Forschungen zu diesem Bereich. "Stattdessen machen wir Pfarreien immer größer, nur weil wir meinen, es können nur unverheiratete Männer sein."
Beziehung zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschlaggebend
Dies führe zum dritten Thema, dem Zölibat, der verpflichtenden Ehelosigkeit für Priester. "Können nicht auch verheiratete Männer und Männer, die mit einem Mann zusammenleben, zugelassen werden?", fragte Sturm. Auch er selbst habe den Zölibat verletzt, räumte Sturm ein.
"Ich habe aber vor allem auch Menschen verletzt, was mir rückblickend sehr leid tut." In einer Beziehung zu leben, könne er als etwas durchaus Erfüllendes ansehen, fügte der 47-Jährige hinzu. "Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschlaggebend."
Auf die Frage, warum er zu den Altkatholiken übertrete und nicht zu den Protestanten, antwortete der ehemalige Generalvikar: "Ich schätze die Protestanten sehr, aber mir fehlt dort schon die liturgische Gestaltung. Ich brauche gar nicht viel Weihrauch, aber hin und wieder habe ich das schon ganz gerne. Da bin ich sehr katholisch."