Mit seinen zehn Minuten Aufführungslänge passt es in jede Trauerfeier. Und es bietet Emotionen pur: das berühmte "Adagio for strings" von Samuel Barber. Schon Beerdigungen von US-Präsidenten wurden mit dieser Komposition von 1938 untermalt wie auch zahlreiche Filme und darüber hinaus die nationalen Gedenkfeiern für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 oder auch die der Corona-Pandemie – so zuletzt 2021 im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt mit Bundespräsident Steinmeier.
1967 machte Barber aus diesem Adagio für Streicher zudem eine achtstimmige Chorfassung und legte ihr den Text des "Agnus Dei" zugrunde. Diese Version singen nun im Großen Domkonzert an diesem Freitag unter der Leitung von Domkapellmeister Eberhard Metternich die beiden Erwachsenenchöre des Domes: die Domkantorei Köln und das Vokalensemble Kölner Dom. "Eine Musik, wie sie nicht besser in diese Zeit passen könnte", kommentiert der Leiter der Kölner Dommusik zu der Programmwahl. Schließlich ende sie mit der flehentlichen Bitte um Frieden – "dona nobis pacem".
Wehmut und Lobgesang
Neben diese zutiefst wehmütige und von daher gleichermaßen aufwühlende Musik, die von zeitgenössischen Kritikern auch schon mal als allzu romantisch bewertet wurde und die in ihrer Wirkung zeitlebens das Gesamtoeuvre des 1910 in Pennsylvania geborenen Amerikaners überlagerte, stellt Metternich den "Lobgesang" von Felix Mendelssohn-Bartholdy; eine "Symphoniekantate" für Soli, Chor und Orchester, wie der Leipziger Gewandhauskapellmeister selbst sein Werk später betitelte. 1840 bereitet sich die Verlagsstadt auf die 400-Jahr-Feier zur Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg vor.
Im Rahmen dieses Festes sollten neue Kompositionen erklingen, für die Mendelssohn einen Auftrag bekommt. Er verfasst zunächst einen weltlichen Festgesang für Männerchor und zwei Blasorchester und dann schließlich auch den "Lobgesang", der in der Thomaskirche uraufgeführt und ein großer Erfolg wird.
"Lobgesang" ist eines der populärsten Werke Mendelssohns
"Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts." Dieser großangelegte Chorsatz spiegelt die zentrale Aussage der Vokalkomposition, der gerade in diesen Tagen besondere Bedeutung zukommt: In Zeiten des Krieges sehnen sich die Menschen danach, dass Licht und Erleuchtung über die Dunkelheit triumphieren. Mendelssohn schreibt dieses Stück mit 31 Jahren und ringt lange um eine angemessene Form der Darstellung, um – wie es in der Romantik typisch ist – Poesie und Musik miteinander zu verbinden. Zu diesem Zeitpunkt, da er ausdrücklich ein Orchesterwerk mit Chor schaffen soll, hat er bereits viel geistliche Musik komponiert, so dass sein Können im "Lobgesang" auf einen Höhepunkt zuläuft und dieses Werk noch zu Lebzeiten eines seiner populärsten wird.
Unstrittig wird zwar in der Musikgeschichte immer wieder die formale Parallele zu Beethovens "Neunter" hergestellt, doch musikalisch hält dieser Vergleich kaum stand, zumal sich Mendelssohn weitgehend an der Oratorientradition des 18. Jahrhunderts orientiert. Der "Lobgesang", der aus einem sinfonischen und einem Kantatenteil – einem großen mehrteiligen Vokalfinale – besteht und von dem Psalmtext "Alles, was Odem hat, lobe den Herrn" seinen Namen bezieht, ist am Ende auch Ausdruck der tiefen Frömmigkeit Mendelssohns. Inhaltlich geht es ihm um drei Hauptthemen: das Lob Gottes, Gottes Treue zu denen, die seiner Hilfe und seines Trostes harren, sowie den Aufstieg des Volkes Gottes aus der Finsternis zum Licht.
Dommusik und Gürzenich-Orchester haben feste Kooperation
Die nun mittlerweile über zehnjährige Kooperation zwischen den beiden Ensembles – Gürzenich-Orchester und Dommusik – gründet auf einer Verabredung Metternichs mit dem damaligen Chefdirigenten des Orchesters, Markus Stenz, der 2010 die Idee, einmal im Jahr ein großes Chorkonzert der Dommusik instrumental zu begleiten, genauso faszinierend fand wie der Leiter der Dommusik selbst. Seitdem wechselt von Jahr zu Jahr der Dirigent.
Mal ist es Domkapellmeister Metternich, mal der heutige Gürzenich-Chefdirigent und amtierende Kölner Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth, der in der jüngeren Vergangenheit bereits dreimal im Kölner Dom Chor und Orchester vorgestanden hat. Und auch die Werkauswahl trägt immer den außergewöhnlichen Bedingungen des Raumes Rechnung – wie auch die Besetzung der Solistenriege stets hochkarätigen Kunstgenuss verspricht. Diesmal sind Ruth Ziesak, Sopran, Marie Heeschen, Mezzosopran, und Sun Ming Song, Tenor, mit von der Partie.
Der Eintritt zu diesem Konzert, das um 20 Uhr beginnt, ist frei. Das Tragen einer Maske wird empfohlen. Die Konzertreihe "Geistliche Musik am Dreikönigenschrein" wird finanziell unterstützt von der Kulturstiftung Kölner Dom. DOMRADIO.DE überträgt live.