Forscherin zieht Madonnenlilien in der Negevwüste

Blühende Verbindung ins Heilige Land

Wegen ihrer weißen Blüten gelten sie als Symbol für Reinheit: Madonnenlilien. Ihre südlichste Heimat ist Nordisrael, wo sie im Marienmonat Mai blühen. Geht es nach Michele Zaccai, blüht die Lilie bald auch in der Wüste.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Blühende Madonnenlilien in einem Gewächshaus in Nitzan / © Andrea Krogmann (KNA)
Blühende Madonnenlilien in einem Gewächshaus in Nitzan / © Andrea Krogmann ( KNA )

Süß und schwer hängt der Duft unter dem Sonnendach über dem kleinen Feld in der Negevwüste. "In diesem Jahr war die Blüte problematisch, weil die Blumen so zerstreut geblüht haben", sagt Omer Kessler, Agronomin an der Saidi-Ronen-Blumenfarm. Die Rede ist von Lilium candidum, zu Deutsch: Madonnenlilie. Ursprünglich ist die Pflanze mit den großen, stark duftenden Blüten in den östlichen Mittelmeerländern beheimatet.

Lilien in der Wüste

Weiße Blüten einer Madonnenlilie in Nitzan / © Andrea Krogmann (KNA)
Weiße Blüten einer Madonnenlilie in Nitzan / © Andrea Krogmann ( KNA )

Wer die geschützte, seltene Blume in Israel in der Natur bewundern möchte, muss sich in den Norden des Landes Richtung libanesische Grenze begeben, den südlichsten natürlichen Wachstumsraum. Die Madonnenlilie, sagt Kessler, mag bergiges Gebiet, kalte Winter und nicht zu feuchte Sommer. In die Wüste gekommen ist sie aus anderen Gründen. Am Anfang stand dabei ein Zufall.

Ein Foto in dem Katalog eines Pflanzenverkäufers zog die Aufmerksamkeit von Michele Zaccai Sabatani auf sich. Die in Belgien geborene Biologin und Agrarwissenschaftlerin kam 1978 nach Israel, im Kopf die Idee, "die Wüste zum Blühen zu bringen". "Die Blume auf dem Foto erinnerte mich an Gemälde aus der Renaissance", sagt Zaccai und begann, über die Madonnenlilien zu forschen: wie sie wächst, wie man sie zum Blühen bringt, welche medizinische Wirkung sie hat. Heute könne sie stundenlang über die Pflanze reden, lacht sie. "Ich habe mich in die Blume verliebt. Juden und Christen lieben sie gleichermaßen, sie ist eine Art Friedensblume."

"Die Farben des Vatikan"

Die Biologin wollte mehr als nur theoretisches Wissen. Mit den erforderlichen Genehmigungen der Naturschutzbehörde brachte sie Zwiebeln zu Forschungszwecken in ihr Labor an der Ben-Gurion-Universität in Beerscheba. Zaccais Traum: Die Lilie soll aus Gewächshäusern in Israel in alle Welt gehen. "Mehr als zehn Jahre habe ich die richtigen Leute für mein Projekt gesucht, ein großes Abenteuer!" Gefunden hat sie sie unter anderem in Sde Nitzan, dem kleinen Ort zwischen Beerscheba und dem Gazastreifen.

"Candidum", strahlend-weiß sind ihre Blüten, so sehr, dass sie zum Symbol für Reinheit und von Christen mit Maria in Verbindung gebracht wurden, erklärt Zaccai die besondere Bedeutung der Lilien, die "nicht mit den in Läden käuflichen Osterlilien zu verwechseln" sei. Auch für die Trinität sowie für Christus und seine Auferstehung stand die symbolbeladene Blüte.

Ihre Pollen wiederum leuchten goldgelb, "zusammen ergibt das die Farben des Vatikan". Einer Legende nach soll die Lilie den Tränen entsprungen sein, die Eva vergoss, als sie aus dem Garten Eden vertrieben wurde. Die Lilie in der Erzählung blühte gelb - bis zu dem Tag, als die Jungfrau Maria sich bückte, um sie zu pflücken.

Mehrfach in der Bibel erwähnt

Verwurzelt sind Darstellungen der Madonnenlilie bereits in vorchristlicher Zeit. Sie zierte Tempel Ägyptens und später den jüdischen Tempel in Jerusalem und seinen siebenarmigen Leuchter. "Wie eine Lilie unter Disteln, so ist meine Freundin unter den Töchtern", heißt es im Hohelied Salomos. Gleich mehrfach wird sie in der Bibel erwähnt, nach Meinung von Bibelwissenschaftlern unter anderem als Symbol für das jüdische Volk. Manch einen erinnert die sechsblättrige Blüte gar an einen Davidstern, und bis heute ziert sie die Ein-Schekel-Münze.

In Sde Nitzan stehen Madonnenlilien seit 2019 zu ein paar tausenden auf gut einem halben Dunam Land, eine kleine Menge verglichen zu den eigentlichen Produkten der Blumenfarm: australische Wachsblumen, Weizen, Gräser. Was in Laborversuchen bereits gelungen ist, soll nun auch bei den Experimenten in der Wüste erreicht werden: die Lilien zum Fest Mariae Verkündigung und zu Ostern zum Blühen zu bringen.

Arbeiter pflegen Madonnenlilien in einem Gewächshaus in Nitzan / © Andrea Krogmann (KNA)
Arbeiter pflegen Madonnenlilien in einem Gewächshaus in Nitzan / © Andrea Krogmann ( KNA )

In der Natur nämlich öffnen sich die weißen Knospen erst gegen Mai und verströmen ihren intensiven Duft. Vielleicht ließ sich Zaccai von den Renaissancegemälden inspirieren, denn "damals gehörte die Blume quasi per ungeschriebenem Gesetz auf alle Darstellung der Verkündigung Mariens".

Papst Franziskus bereits mit Lilien versorgt

Bis die ersten Zwiebeln kommerziell auf den Markt kommen, dürfte noch Zeit vergehen, sagt Omer Kessler. "Blumen sind ein Markt, der auf Vertrauen und Ehre basiert. Bevor wir unsere Zwiebeln verkaufen, wollen wir absolut sicher sein, dass sie perfekt sind und in den Gärten der Welt blühen werden."

Einer der wenigen, der sich schon jetzt an den Lilien erfreuen kann, ist Papst Franziskus. 2014 überbrachte ihm eine israelische Delegation einige Samen aus Zaccais Projekt. Wenn sie einst für alle erhältlich über den virtuellen Ladentisch gehen, werden Kessler und Co. "mehr als nur eine Pflanze verkaufen: Die Blumen sind Teil unserer Geschichte, damit geben wir auch einen Teil von uns und unserer Geschichte, und die Menschen spüren diese Verbindung mit dem Heiligen Land".

Michele Zaccai träumt unterdessen von einem weiteren Projekt: "Ich hoffe, dass wir eines Tages ein Parfüm aus den Lilien machen können." Ihr herrlicher Duft, sagt sie, ist mit nichts vergleichbar.

Heiliges Land

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)

Als Heiliges Land wird seit dem vierten Jahrhundert der Teil des Nahen Ostens bezeichnet, in dem sich biblische Geschichte ereignet hat. Die Landnahme des alten Volkes Israel, das Leben und Wirken Jesu und das Urchristentum sind dabei von Bedeutung. In der Regel gelten heute Israel und die autonomen bzw. besetzten Palästinensergebiete als Heiliges Land. Gelegentlich werden auch Teile Jordaniens, Ägyptens, des Libanon sowie zum Teil des Irak und Syriens zum Heiligen Land gerechnet.

Quelle:
KNA