DOMRADIO.DE: Homosexuelle sind eine "Plage" sowie ein "Krebsgeschwür". Dieser Satz ist im vergangenen Jahr in der Zeitschrift "Theologisches" erschienen. Eine Formulierung mit Konsequenzen. Der Autor sowie der Chefredakteur der Zeitschrift mussten heute vor dem Amtsgericht Köln antreten. Eine Verurteilung war es am Ende nicht. Die beiden Angeklagten haben sich entschuldigt, aber trotzdem haben sie noch mal gesagt, sie seien bewusst falsch verstanden worden. Fanden Sie das am Ende überzeugend?
Wolfgang F. Rothe (Münchner Priester, der die beiden Geistlichen angezeigt hatte): Es war keine Verurteilung, aber es war eben auch kein Freispruch. Der Einigung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht vorausgegangen war eine doch sehr deutlich formulierte Entschuldigung des Verfassers des inkriminierten Artikels für seine Äußerungen. Er hat alle um Verzeihung gebeten, die sich dadurch beleidigt gefühlt haben. Und er hat beteuert, dass er dergleichen nie wieder äußern wird.
Insofern betrachte ich das als ein positives Ergebnis. Denn letztlich kommt es ja darauf an, dass solche Äußerungen in einer freiheitlichen Gesellschaft und in einer Demokratie keinen Platz haben dürfen. Das war sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem Gericht sehr bewusst. Und das wurde auch dann von den Angeklagten selbst so zum Ausdruck gebracht.
DOMRADIO.DE: Trotzdem kann man natürlich jetzt da herauslesen, dass künftig, wenn im kirchlichen Kontext homosexuelle Menschen diskriminiert werden, das nicht automatisch Volksverhetzung ist. Was bedeutet das wiederum für Sie?
Rothe: Das ist in der Tat so, und das erfüllt mich mit einiger Sorge. Denn so wie wir es ja auch aus dem rechtspopulistischen politischen Spektrum her kennen, werden aggressive Äußerungen in die Welt gesetzt und dann, wenn es Widerstand gibt, ein wenig zurückgenommen. Aber auf diese Weise wird die Grenze des Sagbaren immer weiter voran geschoben. Damit wird einem gesellschaftlichen Klima Vorschub geleistet, in dem weiterhin diskriminiert und abgewertet werden kann.
DOMRADIO.DE: Der Fall und die Gerichtsverhandlung bekommen auch international Aufmerksamkeit. Das liegt auch daran, dass einer der beiden Angeklagten aus Polen stammt. Es sind auch heute wieder Menschen aus Polen angereist, die für den Angeklagten demonstriert haben. Wie haben Sie das erlebt?
Rothe: Es war eine spürbar aufgeheizte Atmosphäre im Gerichtssaal. Und beim Hinausgehen, als die Anhängerschaft der beiden Beschuldigten an mir vorbeizog, musste ich mir so einiges anhören: Sie sind eine Schande; Sie sollten sich schämen; wir sehen uns vor dem Jüngsten Gericht wieder.
Man kann also zumindest daran sehen, dass auch die Gegenseite mit dem Ausgang des Verfahrens nicht zufrieden ist. Und das erfüllt mich doch mit ein wenig Genugtuung.
DOMRADIO.DE: Auch über diese Anfeindungen nach dem Prozess hinaus sind Sie ja immer wieder Opfer von Attacken im Netz und auch persönlich geworden, wegen Ihrer Anzeige. Was empfinden Sie da heute nach dem Prozess?
Rothe: Wenn man diesen Weg einmal eingeschlagen hat, dann muss man damit rechnen, dass es solche Anfeindungen gibt. Ich habe dergleichen schon sehr oft erlebt und erlebe es immer wieder. Ich habe es jetzt auch im Zusammenhang mit dem Verfahren wieder gehäuft erlebt.
Angenehm ist es nicht, das macht schon was mit einem. Aber wie gesagt, wenn man diesen Weg einmal beschritten hat, dann muss man lernen, damit umzugehen. Dann muss man das aushalten. Und das habe ich auch gelernt.
DOMRADIO.DE: Gleichzeitig fand heute in Bremen noch ein ähnlicher Prozess statt, nämlich gegen den evangelischen Pastoren Olaf Latzel, der ebenfalls wegen Aussagen über homosexuelle Menschen wegen Volksverhetzung angeklagt war. Er ist freigesprochen worden. Was sagt uns das jetzt alles über den Stand homosexueller Menschen in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft? Zwei Prozesse, keine Verurteilung.
Rothe: Das ist schon, wenn man das im Kontext betrachtet, eine bedenkliche Entwicklung. Ich hätte mir gewünscht, dass vom heutigen Tag ein klares Signal ausgeht, dass homosexuelle Menschen in unserer Gesellschaft und damit eben auch in unserer Kirche nicht diskriminiert werden dürfen, dass es für Äußerungen über homosexuelle Menschen Grenzen gibt, dass Hass und Hetze weder in der Gesellschaft noch in der Kirche einen Platz haben.
Dieses klare Signal bleibt weiterhin ein Desiderat (ein Wunsch, d. Red.) und ich hoffe, dass es irgendwann mal dazu kommt, dass solche Grenzen auch von den staatlichen Organen von Politik und Justiz gesetzt werden.
DOMRADIO.DE: Sie wollen weiter für die Rechte Homosexueller kämpfen.. Sie haben gesagt, Sie haben gelernt, mit den Konsequenzen umzugehen. Was gibt Ihnen da Kraft und Hoffnung weiterzumachen?
Rothe: Ich bin katholischer Priester und fühle mich der Botschaft Jesu verpflichtet. Diese Botschaft gibt mir Kraft. Denn die Botschaft Jesu beinhaltet ganz zentral das Eintreten für Randgruppen, für diskriminierte Menschen und den Schutz dieser Menschen. Wenn ich das nicht tun würde, würde ich meinen Priesterberuf verraten.
Das Interview führte Hilde Regeniter.