Ein Meer von Kerzen erinnert an die Opfer des Zugunglücks

Trauergottesdienst in Partenkirchen

Waggons des verunglückten Zugs stehen noch immer auf dem Gleis wie eine Mahnung. Derweil gedenken gut 300 Menschen in Partenkirchen bei einem ökumenischen Gottesdienst der Opfer des Zugunglücks.

Autor/in:
Barbara Just
Fünf Kerzen stehen bei einem Trauergottesdienst für die Opfer des Zugunglücks mit fünf Toten und vielen Verletzten in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt hinter einem Kreuz / © Karl-Josef Hildenbrand/dpa-Pool (dpa)
Fünf Kerzen stehen bei einem Trauergottesdienst für die Opfer des Zugunglücks mit fünf Toten und vielen Verletzten in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt hinter einem Kreuz / © Karl-Josef Hildenbrand/dpa-Pool ( dpa )

Ein schlichtes Holzkreuz liegt gebettet auf weißem Tüll auf den Altarstufen der Kirche Maria Himmelfahrt in Garmisch-Partenkirchen. Das Bukett von weißen Rosen hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner als Schmuck mitgebracht; das Meer von Teelichtern haben die Besucherinnen und Besucher am Ende des Trauergottesdiensts am Samstagabend hingestellt. Die brennenden Kerzen sollen an die Opfer des Bahnunglücks von Burgrain erinnern, das am 3. Juni kurz nach 12 Uhr so jäh die beliebte Urlaubsregion erschüttert hat.

Angehörige von Hilfsorganisationen stehen bei einem Trauergottesdienst für die Opfer des Zugunglücks mit fünf Toten und vielen Verletzten in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt / © Karl-Josef Hildenbrand/dpa-Pool (dpa)
Angehörige von Hilfsorganisationen stehen bei einem Trauergottesdienst für die Opfer des Zugunglücks mit fünf Toten und vielen Verletzten in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt / © Karl-Josef Hildenbrand/dpa-Pool ( dpa )

Aus heiterem Himmel

Wer von München über die Bundesstraße 2 in diese bei Touristen so beliebte Berggegend mit dem Auto fährt, wird selbst an diesem sonnigen Samstag mit dem Schrecken konfrontiert. Nicht nur die Zugspitze, Deutschlands höchster Gipfel, begrüßt einen, sondern auch einige der Waggons des verunglückten Zugs stehen nach wie vor an jener Stelle, wo sich das Unfassbare ereignete.

Der evangelische Münchner Regionalbischof Christian Kopp greift diesen Anblick in seiner Ansprache auf. Auch er war kurz zuvor erneut daran vorbeigekommen: "Und sofort bin ich wieder ganz mitgenommen und verzweifelt." Aus heiterem Himmel könne einen das Leben richtig schrecklich erwischen und so etwas Sicheres wie ein Zug entgleisen. Auf einmal sei die Welt eine andere.

Zeit für Trauer

Ein 14-jähriger Junge werde nicht mehr erwachsen werden; zwei junge ukrainische Frauen, eben erst dem Krieg entflohen, seien ebenfalls gestorben und ihre Kinder nun Halbwaisen, ergänzt Kopp. Das Vaterunser wird deshalb später auch in ukrainischer Sprache gesungen und danach in Deutsch gesprochen. Eine 51-jährige Frau aus Wiesbaden verlor ihr Leben und eine 70-jährige Frau aus dem Münchner Landkreis. Alles abgerissene Leben, die große Lücken in den Familien hinterließen.

Kopp dürfte nur zu gut wissen, was das bedeutet: "Meine Familie und ich haben vor über einem Jahr unseren Sohn verloren. Er war Mitte 20. Wenn ich an diesen Tag denke, dann ist es, als wäre es gerade eben passiert."

Natürlich wisse man, dass das Leben endlich sei, aber wenn es so "brutal" einschlage, bleibe die Frage nach dem Warum, ergänzt der katholische Münchner Kardinal Reinhard Marx. "Eine Antwort darauf werden wir nicht geben können", räumte er ein. Aber als Hoffnung bleibe, sich auf den Weg einzulassen, den Jesus gewiesen habe: "Wir stehen mit leeren Händen vor Gott, aber er erwartet uns mit seiner ganzen Fülle."

Dank an Rettungs- und Einsatzkräfte

Im hinten in der Kirche ausliegenden Fürbittbuch haben sich in den vergangenen Tagen viele ihre Sorgen und Gedanken von der Seele geschrieben. So bittet eine Susanne Gott darum, dass dieser die Opfer des verheerenden Zugunglücks in seine "liebevollen Hände" nehmen möge und den Hinterbliebenen Kraft, Liebe und Zuversicht schenke. "Lieber Gott, behüte meine Familie", ist mehrfach zu lesen. Das Unglück hat die Leute aus der Ferienstimmung gerissen, das ist hier schwarz auf weiß zu lesen.

Trost spendet in solchen Ausnahmesituationen das vom Chor gesungene, berühmte Gebet von Dietrich Bonhoeffer "Von guten Mächten wunderbar geborgen". Innenminister Joachim Herrmann (CSU) spricht zum Schluss den Hinterbliebenen sein Beileid aus. Den in den Krankenhäusern liegenden Verletzten wünscht er, dass sie sich bald physisch und psychisch erholen mögen. Zugleich dankt er den gut 750 Rettungs- und Einsatzkräften sowie Notfallseelsorgern, die zumeist ehrenamtlich bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeiten geholfen und noch Schlimmeres verhütet hätten.

Als das vom Organisten gespielte "Adagio" von Albinoni verklingt, bleiben einige noch in den Kirchenbänken sitzen und suchen das Gespräch mit Seelsorgern und Rettungskräften. Währenddessen geht in Partenkirchen das touristische Leben weiter. Am Souvenirstand hat eine Frau gerade eine Postkarte mit traumhaftem Bergpanorama aus dem Ständer genommen - Urlaubsgrüße für die Daheimgebliebenen.

Quelle:
KNA