Die Online-Enzyklopädie Wikipedia - mit Betonung auf dem letzten i, wie Kenner des klassischen Griechisch einfordern - bietet inzwischen sogar eine App mit einem Einschlafdienst an. Vorleserinnen und Vorleser deklamieren dafür historische Einträge so säuselnd und beruhigend, dass man gebildeter als zuvor in Morpheus' Arme sinkt.
Vieles andere Wiki-Wissen dagegen ist keineswegs zum Einschlafen, sondern von hohem Unterhaltungswert. So etwa die "Liste der Staatsoberhäupter nach Amtszeiten" - in der Queen Elizabeth II. am Montag (13. Juni) einen weiteren Rekord zieht: 25.695 Tage auf dem Thron - Platz eins im 21. Jahrhundert. Sie überflügelt damit den bisherigen Rekordhalter Bhumibol Adulyadej den Großen (1927-2016), König von Thailand, der 70 Jahre und 127 Tage regierte.
Ewig Regierende
Kurios: In der Wiki-Liste gibt es auch den Unterpunkt "Abwesende bzw. Entrückte als De-jure-Staatsoberhäupter" und als einziges Beispiel Muhammad al-Mahdi, den sogenannten Zwölften Imam. Er befinde sich seit dem Jahr 941 im Zustand der Entrückung und ist laut Verfassung der Islamischen Republik Iran von 1979 deren eigentliches Staatsoberhaupt. Weiter heißt es dort, der Klerus (in Gestalt von Religionsführer Ali Chamenei, seit 1989) "herrscht nach dieser Auffassung nur in Stellvertretung des Imams bis zu dessen Wiederkehr aus der Verborgenheit".
Mit solcherlei Parusieverzögerung haben auch die Christen seit zwei Jahrtausenden viel Erfahrung gesammelt. Jesus Christus sagte immerhin laut dem Evangelisten Johannes, sein Königtum sei nicht von dieser Welt. Daher gab und gibt es allerlei "Allerchristlichste Könige" (Frankreich) und gekrönte "Verteidiger des Glaubens" (England). Letzterer wurde freilich - in Person Heinrichs VIII. - in den 1530er Jahren dem Katholizismus abtrünnig und ist seither König und Kirchenoberhaupt in einer Person.
Rekord: 83 Jahre Amtszeit
Auch das 19. und 20. Jahrhundert haben Superlative aufzubieten: Sobhuza II. (1899-1982) war zeitlebens Oberhaupt von Swasiland, dem heutigen Eswatini - wenn auch bis zu seinem 22. Lebensjahr seine Großmutter faktisch die Regentschaft ausübte; nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1968 regierte er das Land als König. Nominell hatte Sobhuza II. mit 83 Jahren die längste Amtszeit aller historisch gesicherten Herrscher. Zeit genug für 70 Ehefrauen und rund 210 Kinder.
Johann II. Maria Franz Placidus (1840-1929), genannt der Gute, war seit 1858 Fürst von Liechtenstein - also für 70 Jahre und 3 Monate (25.658 Tage) - 37 Tage weniger als Bhumibol und die Queen. Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830/48-1916) mit 68 und Queen Victoria (1819/37-1901) mit 63,5 Jahren Regentschaft fallen dahinter schon zurück.
Für das 18. Jahrhundert schießt Karl Friedrich von Baden (1728-1811) den Vogel ab, und zwar epochenübergreifend. Er war Markgraf von Baden-Durlach (1738–1771), Markgraf von Baden (1771–1803), Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches (1803–1806) und von Napoleons Rheinbund-Gnaden erster Großherzog von Baden (1806–1811). 73 Jahre Regentschaft sind ein ordentliches Pfund. Auf den Rängen: Englands König George III. mit 60 und Frankreichs Ludwig XV. (1710-1774) mit 59 Jahren - der anders als sein Enkel Ludwig XVI. seinen Kopf behalten durfte.
Weitere Rekorde
A propos Ludwig: Der Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638-1715) dominierte Europa über weite Teile des 17. Jahrhunderts.
Seit 1643 offiziell König, übernahm er die Regierungsgewalt aber erst 1661, nach dem Tod von Kardinal Jules Mazarin, seinem "Leitenden Minister". Offiziell zu Buche stehen aber stolze 72 Jahre - Marktführer im Segment "Könige, Europa". Im Jahrhundert des Absolutismus konnte ihm niemand das Wasser reichen. Sein Zeitgenosse Kaiser Leopold I. (1640-1705) kam auf "nur" 48 Jahre.
Und auch Tote können Staatsoberhaupt sein: Kim Il-sung, gestorben 1994, ist laut der nordkoreanischen Verfassung ewiger Präsident und somit weiterhin Staatsoberhaupt. Der Vorsitzende der Obersten Volksversammlung Nordkoreas, Choe Ryong-hae, übt de iure die Rolle aus. Tatsächlicher Machthaber freilich ist seit 2011 der Kim-Enkel Kim Jong-un (38).