Vom Bistum Arecibo auf der Insel Puerto Rico hat bislang vermutlich kaum ein Kölner Katholik je etwas gehört. Nun aber ist es offiziell: Der Papst hat die kleine Karibik-Diözese mit ihren 370.000 Katholiken und 51 Priestern auf eine Stufe gestellt mit dem großen Erzbistum Köln, das seit rund zwei Jahren als Deutschlands größtes Krisen-Bistum Schlagzeilen macht.
In einem Gespräch mit den Chefredakteuren von zehn internationalen Jesuiten-Zeitschriften sagte der Papst: "Ich glaube nicht, dass Köln die einzige Diözese in der Welt ist, in der es Konflikte gibt. Und ich behandle sie wie jede andere Diözese in der Welt, die Konflikte erlebt. Mir fällt eine ein, die den Konflikt noch nicht beendet hat: Arecibo in Puerto Rico, und das schon seit Jahren. Es gibt viele solche Diözesen."
Köln ist ein Problembistum unter vielen
Deutlicher hätte der Papst es kaum auf den Punkt bringen können, aus welcher Distanz der Chef in Rom die "Kölner Wirren" betrachtet: Köln ist ein Problembistum unter vielen. Und die katholische Kirche zählt weltweit inzwischen mehr als 3.000 Bistümer. Dennoch hat Franziskus - auch das wird in dem Gespräch deutlich - die verworrene Lage in Köln und insbesondere die Causa Woelki schon länger zur Chefsache gemacht.
Und er hat das Heft des Handelns knallhart und konsequent in die eigenen Hände genommen. Originalton Pontifex: "Als die Situation sehr turbulent war, bat ich den Erzbischof, für sechs Monate wegzugehen, damit sich die Dinge beruhigten und ich klarer sehen konnte. Denn wenn das Wasser aufgewühlt ist, kann man nicht gut sehen. Als er zurückkam, bat ich ihn, ein Rücktrittsgesuch zu verfassen. Er tat dies und gab es mir.
Und er schrieb einen Entschuldigungsbrief an die Diözese. Ich habe ihn an seinem Platz gelassen, um zu sehen, was passieren würde, aber ich habe sein Rücktrittsgesuch in der Hand." Die zwischenzeitlich lauten Zweifel des deutschen Bischofskonferenz-Vorsitzenden Georg Bätzing, ob und wie Woelki überhaupt seinen Rücktritt angeboten habe, sind damit vom Tisch.
Zweite Visitation vorbehalten
Abgeräumt ist auch die einst im Woelki-Lager verbreitete Lesart, dass der Kardinal den Heiligen Vater aus eigenem Antrieb um eine Auszeit gebeten habe. Selbst eine zweite Apostolische Visitation, eine Art Inspektion im allerhöchsten Auftrag, behält sich Franziskus vor.
Diesmal aber nicht, um Stimmungen an der Kölner Kirchenbasis und im Klerus aufzuzeichnen, sondern um mutmaßlichen finanziellen Unregelmäßigkeiten nachzugehen.
Noch Anfang Mai hatte Woelki aus Rom einen Freifahrtschein für seinen Umgang mit einem Kölnisch-Erzbischöflichen Sondervermögen erhalten.
Doch zwei Wochen später dachte der Papst offenbar erneut an eine gründliche Überprüfung. Er ließ offen, ob es dabei um die ungeklärten Details der Finanzierung der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) geht, die zu Woelkis Lieblingsprojekten zählt.
Entscheiden, wenn der Druck nachlässt
Aber nicht nur der Kölner Kardinal steht unter kritischer Beobachtung des Papstes. Auch die "vielen Gruppen, die Druck machen", finden bei ihm kein Wohlgefallen. Zwar sei es "in Ordnung", wenn es unterschiedliche Meinungen gebe. Aber "wenn Druck entsteht, hilft das nicht". Franziskus macht damit unmissverständlich klar: Er will erst entscheiden, wenn der Druck nachlässt. Die in Westdeutschland fast schon zur Folklore gewordene kirchliche Protestkultur scheint also bei diesem Papst eher das Gegenteil zu bewirken - auch das eine interessante Erkenntnis des Interviews.
Überraschend kühl und distanziert spricht der Papst von den Vorgängen in Köln. Während er beim Thema "Glaubensverkündigung in Schweden" den Stockholmer Kardinal Anders Arbolrelius in höchsten Tönen lobt, erwähnt er bei den Kölner Wirren den betroffenen Mitbruder Woelki kein einziges Mal mit Namen. Und da findet sich Köln wieder auf einer Stufe mit Arecibo: Auch dort nennt der Papst nur den Namen des Bistums, nicht den des Bischofs.
Apropos Arecibo. Den dortigen Ortsbischof (Name: Daniel Fernandez, Alter: 57 Jahre) hat Franziskus vor drei Monaten abgesetzt. Der Oberhirte hatte sich unter anderem geweigert, einen Aufruf zu unterschreiben, der die Impfung gegen Corona zur moralischen Christenpflicht erheben sollte. Da er seine Absetzung für rechtswidrig hält, protestiert der Betroffene nun. Nicht nur Köln kommt also auf absehbare Zeit nicht zur Ruhe.