Warum der "heilige Rasen" von Wimbledon so heilig ist

An der Church Road kämpfen Tennisgötter

Die Church Road in Wimbledon führt zum sogenannten Heiligen Rasen. Hier liefern sich "Tennis-Götter" in Weiß echte Titanenkämpfe vermeintlich biblischen Ausmaßes. Über die sakrale Dimension eines profanen Tennisturniers.

Autor/in:
Wolfgang Holz
Ons Jabeur (l) und Tatjana Maria auf dem Platz in Aktion am 07.07.22 in London. / © Alastair Grant/AP (dpa)
Ons Jabeur (l) und Tatjana Maria auf dem Platz in Aktion am 07.07.22 in London. / © Alastair Grant/AP ( dpa )

 Exakt acht Millimeter. Auf diese Länge stutzen die "Groundsmen" (Platzwarte) die Rasenplätze in Wimbledon, täglich und akribisch; für das renommierteste Tennisturnier der Welt. Über zwei Wochen hinweg gibt es hier, im Süden Londons, 654 Matches. Jeden Tag nach dem Spielbetrieb werden die 19 Courts mit Planen abgedeckt und nachts sogar bewacht - damit ja kein Grashalm unsachgemäß gekrümmt wird. Und damit den Spielerinnen und Spielern jeden Tag ein fast perfektes Grün zur Verfügung steht.

Kein Wunder, dass der Rasen, der sich wie ein natürlicher Samtteppich anfühlt, in Wimbledon als heilig gilt. Doch nicht nur die Tatsache, dass Wimbledon das einzige Grand-Slam-Turnier ist, auf dem auf Rasen gespielt wird, stilisiert insbesondere den Centre Court mit seinen 15.000 Zuschauerplätzen zu einer Art sakralem Raum; einer Kathedrale des "Weißen Sports".

Nur in Wimbledon müssen alle Tenniscracks in weißer Kleidung antreten - was die ansonsten poppig auftretenden Profis in eine edle Jüngerschaft aus eigentlich vergangenen Tagen verwandelt. Auch mussten sich früher die Spieler verneigen und die Spielerinnen einen Knicks machen, wenn sie an den Mitgliedern des Königshauses in der "Royal Box" vorbei auf den Centre Court schritten. Und nach wie vor gibt es nur in Wimbledon auf dem Hauptplatz keine Reklameschilder.

Moderne Tennistitanen

Als einziger hat bislang der Schweizer Roger Federer den goldenen Pokal acht Mal in die Höhe gestemmt. Andere legendäre Akteure und Matches haben den Centre Court in der knapp 150-jährigen Turniergeschichte ebenfalls geprägt: Titanenkämpfe biblischen Ausmaßes. So etwa 2008, als Rafael Nadal gegen Federer nach stundenlangem Kampf schon fast bei Dunkelheit 9:7 im 5. Satz siegte; auf dem Centre Court gab es damals noch kein Flutlicht.

DJK-Sportverband

Der DJK-Sportverband ist ein katholischer Sportverband in Deutschland mit Sitz im rheinischen Langenfeld. Er versteht sich als christlich wertorientierter Sportverband unter katholischem Dach und nimmt laut eigenen Angaben jede Person auf, der diese Orientierung mitträgt. Etwa 500.000 Sportlerinnen und Sportler betreiben in rund 1.100 DJK-Vereinen über 100 Sportarten. Präsidentin ist seit 2015 Elsbeth Beha. Geistliche Bundesbeirätin ist seit 2018 Elisabeth Keilmann, die zugleich Olympia- und Sportseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz ist.

Das Logo des DJK-Sportverbandes (DJK)
Das Logo des DJK-Sportverbandes / ( DJK )

Wie viele Matches in der Vergangenheit wurden durch den manchmal fast sintflutartigen englischen Regen unterbrochen? Bereits besiegt Geglaubte erlebten nach oft stundenlanger Regenpause ihre sportliche Auferstehung. Inzwischen sind der Centre Court und Court Number One für störungsfreie Spiele überdacht.

Längstes Match der Tennis-Geschichte

Auch das längste offizielle Tennismatch überhaupt wurde übrigens in Wimbledon ausgetragen - und wegen Dunkelheit über zwei Tage hinweg gespielt: Es dauerte elf Stunden und fünf Minuten. Der Grund: Wegen der antiquierten Zählweise in Wimbledon erreichte der US-Amerikaner John Isner 2010 erst nach 70:68 im 5. Satz den Tennishimmel. Der spielverkürzende Tie-Break im letzten Satz hielt bei den All England Championships erst 2019 Einzug.

Auch, dass es am Ende Wichtigeres gibt als Sieg und Niederlage, wird den Spielern auf dem Centre Court vor Augen geführt. Auf dem Weg von der Umkleidekabine Richtung Arena passieren sie jedes Mal einen über der Türschwelle verewigten Vers aus dem Gedicht "If" von Rudyard Kipling; das Werk von 1895 preist Tugenden wie Aufrichtigkeit, Demut und Geduld.

Sogar Übernachtungen für Tickets

Zudem ist Wimbledon so sozial, dass sich auch Leute mit kleinerem Geldbeutel einen Platz auf dem Centre Court leisten können. Einzige Voraussetzung: Man muss sich stundenlang vor dem Club in die Schlange stellen, um die begehrten Tickets zu ergattern. Ganz eingefleischte Fans übernachten sogar dafür vor den Toren des Tennis-Mekkas.

Auf der Anlage erwartet die Pilger dann das Tennis-Manna: Erdbeeren mit saurer Sahne. Novak Djokovic dagegen hat nach seinem Fünf-Satz-Finalsieg 2014 gegen Roger Federer, auf dem Centre Court kriechend, einige "heilige" Grashalme gezupft und gegessen; für manche war das fast ein Sakrileg.

Quelle:
KNA