DOMRADIO.DE: Wie geht es Ihnen ein Jahr nach der Flut?
Renate Steffes (Pfarrsekretärin von Sankt Laurentius in Ahrweiler): Ich sage mal gut. Wir haben damals überlebt. Wir haben uns arrangiert. Wir wohnen trocken. Wir haben keinen Menschen in unsere Familie verloren. Von daher müssen wir sagen, es geht uns gut.
DOMRADIO.DE: In Ihrem Haus standen Keller und Erdgeschoss unter Wasser. Seit der Katastrophe leben Sie im Dachgeschoss, wo Sie eigentlich eine Ferienwohnung für Ihre Tochter einrichten wollten. Wie gehen die Renovierungsarbeiten voran?
Steffens: Stand heute muss ich sagen gut. Wir hatten eine große Phase, wo der Handwerkermangel auch uns getroffen hat. Wir haben viereinhalb Monate eine Ruhephase gehabt und haben nichts fortführen können, weil wir einfach warten mussten. Aber jetzt sind wir auf einem guten Weg und wir hoffen wirklich, dass wir im Oktober wieder einziehen können.
DOMRADIO.DE: Sind immer noch Helfer und Helferinnen vor Ort?
Steffens: Ja, sie sind immer noch vor Ort, bei uns in Ahrweiler und auch an den Versorgungspunkten, wo für die Helfer gekocht wird, und vor allen Dingen die Ahr rauf, weil die Schäden noch viel größer sind. Da werden wirklich noch Helfer gebraucht, die vor Ort in den Häusern helfen.
DOMRADIO.DE: Sie arbeiten inzwischen auch wieder im Pfarrbüro von St. Laurentius. Wie sieht das Gemeindeleben aus? Wie und wo feiern sie zum Beispiel Gottesdienst?
Steffens: Wir feiern Gottesdienst an unterschiedlichen Orten. Jetzt im Sommer feiern wir unseren Sonntagsgottesdienst im Pfarrgarten oder gehen bei schlechtem Wetter in die Kirche. Das ist natürlich eine Großbaustelle. Da sitzt man auf blankem Beton. Es ist kein Altar da, die Gemälde, alles ist abgehangen. Das ist kein schöner Anblick, aber ein geschlossener Raum.
DOMRADIO.DE: Am kommenden Sonntag wird in der Kirche auch Gottesdienst gefeiert, der auch im ZDF übertragen wird. Da kann dann die ganze Republik sehen, wie eine flutgeschädigte Kirche aussieht. Was ist am heutigen Jahrestag geplant?
Steffens: Es gibt in Bad Neuenahr eine zentrale Gedenkveranstaltung, die vom Kreis aus initiiert wird. Da werden auch hochrangige Politiker erwartet. Wir selbst müssen nicht daran teilnehmen. Viele empfinden es als übergestülpt und nicht von uns kommend. Wir bleiben im privaten Kreis zusammen und viele in der Nachbarschaft machen es auch so. Ich kenne niemanden, der dort hingeht.
DOMRADIO.DE: Wie hätte denn so ein Gedenken sein müssen, damit Sie sich da auch wiederfinden?
Steffens: Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt möglich ist, weil das jeder anders erlebt hat.
DOMRADIO.DE: Seit Tagen laufen die schlimmen Bilder im Fernsehen. Sie hören Berichte im Radio, die Zeitungen sind voll davon. Wie ist das für Sie, wenn Sie ständig an diese schlimmen Stunden erinnert werden?
Steffens: Ich kann gut schauen. Ich schaue auch. Ich versuche, alles aufzunehmen und wahrzunehmen. Es gibt Situationen, da sitze ich da und weine. Aber ich versuche auch dann die Bilder einfach wahrzunehmen und zu schauen: Wie hat es damals ausgesehen? Wir hatten damals ja kein Fernsehen, nichts. Es sind sehr viele Aufnahmen, die ich noch nie gesehen habe. Dafür bin ich eigentlich schon dankbar, damit ich es weiß und mir eine Vorstellung machen kann, wie es andernorts gewesen ist.
DOMRADIO.DE: Sie begehen den Tag heute im privaten Rahmen. Haben Sie sich da etwas vorgenommen?
Steffens: Ich habe in der Nachbarschaft Bescheid gesagt. Wer möchte, kann gerne kommen. Auf ein Glas Wein hier bei uns im Ahrtal. Ansonsten haben viele auch schon signalisiert, sie haben sich schon anderweitig orientiert. Wir werden auf jeden Fall mit der Familie zusammensitzen und in Ruhe diesen Abend begehen.
DOMRADIO.DE: Nach einem Jahr ist längst nicht alles bewältigt. Was wünschen Sie sich für sich selbst, Ihre Familie, aber auch für die Menschen im Ahrtal für die kommende Zeit?
Steffens: Ich wünschte mir ganz dringend, dass die psychologische Betreuung intensiviert wird. Da sind sehr lange Wartezeiten, wenn man sie in Anspruch nehmen möchte, auch mit Terminen. Man muss Monate auf einen zweiten Termin warten und das ist für eine akute Phase, in der es einem nicht gut geht, aus meiner Sicht schlecht. Also da sollte dringend dran gearbeitet werden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.