"Es ist durchaus möglich, dass die Grenzen der Ukraine für ihn geschlossen wären, wenn er aus Russland käme", sagte der Vorsitzende der römisch-katholischen Ukrainischen Bischofskonferenz der Wochenzeitung "Die Tagespost" (online) im Interview. "Unsere Gläubigen sagen, man müsse sich zuerst dem Unfallopfer zuwenden, dem, der leidet, und dann erst demjenigen, der den Unfall verursacht hat."
Deutlichere Position vom Papst gewünscht
Man sei dem Papst sehr dankbar, "dass er von Anfang an dem ukrainischen Volk mit seinen Gebeten und vielen Appellen nahe war", so Mokrzycki. Weniger zufrieden sei das ukrainische Volk damit, dass Franziskus zuerst den russischen Botschafter in Rom besuchte und nie deutlich ausgesprochen habe, dass Russland eine Invasion in der Ukraine durchführe.
Hoffnung auf Papstbesuch bleibt
Mokrzycki, der von 1996 bis 2005 als Sekretär für Johannes Paul II. und Benedikt XVI. im Vatikan arbeitete, sagte der Zeitung wörtlich: "Nicht nur die griechisch-katholischen Gläubigen, auch wir sind nicht mit allen Gesten des Heiligen Vaters gegenüber Russland einverstanden; aber vielleicht verstehen wir seine Intentionen und seine Politik nicht gut."
Und weiter: "Hoffen wir, dass der Papst gute Intentionen hat und mit seiner Art des Agierens bald Frieden in die Ukraine bringt." Laut dem Erzbischof ist es "beinahe offiziell, dass der Heilige Vater - sobald er aus Kanada zurückkehrt - entscheidet, wann er nach Kiew kommt: möglicherweise im August oder September".
Hoffnung auf ein Friedenswunder
Auf der Internetseite seines Erzbistums betonte Mokrzycki am Freitag, man freue sich, dass der Papst bereits seinen Wunsch geäußert habe, in die Ukraine zu kommen. Die ukrainischen Katholiken waren sehr glücklich, wenn Franziskus das Land besuche, "um den Glauben unseres Volkes zu stärken und die Herzen der Menschen mit Hoffnung zu erfüllen". Man habe ihn schon seit langem eingeladen; und seit Beginn des Krieges noch leidenschaftlicher als zuvor. Denn wenn der Papst "dieses blutbefleckte Märtyrerland betreten und es segnen würde, dann würde der Herr uns Gnade gewähren und ein Wunder vollbringen, und der Friede würde in unser Heimatland kommen", so der 61-Jährige.
Er hoffe, dass Franziskus in der Ukraine neben der Staatsführung auch Vertreter des Gesamtukrainischen Rates der Kirchen sowie der römisch-katholischen Bischofskonferenz treffe und auch Lwiw besuche, um in der Kathedrale der westukrainischen Stadt zu beten. Der päpstliche Botschafter in der Ukraine habe ihm allerdings gesagt, dass er noch nicht wisse, ob der Papst nur nach Kiew komme oder auch nach Lwiw, so Mokrzycki.
Interkonfessionelle Uneinigkeiten
Der Erzbischof sagte im "Tagespost"-Interview, zwischen den Konfessionen in der Ukraine gebe es ernsthafte Probleme, insbesondere mit der ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Die höchste Versammlung dieser Kirche hat sich zwar vom Moskauer Patriarchat losgesagt; der Status und wie dies in den einzelnen Diözesen der Ukraine gehandhabt wird, sei aber weder einheitlich noch klar.
Einzelne Kommunalverwaltungen in der Ukraine forderten zuletzt ein Verbot dieser Kirche, auch in Mokrzyckis Erzbistum. Er sehe solche Verbote kritisch, so der Erzbischof. Ein demokratischer Staat müsse, "wie überall in Europa, volle Religionsfreiheit gewähren, und das für alle - seien es die Muslime, die Zeugen Jehovas oder andere". So müsse es auch in der Ukraine sein.