Zu Besuch bei einer katholischen Insel in Jordanien

Marienheiligtum Anjara Barbecue

Mehr als 20.000 Besucher zieht das Marienheiligtum im jordanischen Anjara an. Kein Wunder, der idyllische Ort blickt auf eine spannende Geschichte zurück. Und dabei geht es dann sogar um Wunder.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Marienstatue im Heiligtum "Unserer Lieben Frau vom Berg" in Anjara (Jordanien) / © Andrea Krogmann (KNA)
Marienstatue im Heiligtum "Unserer Lieben Frau vom Berg" in Anjara (Jordanien) / © Andrea Krogmann ( KNA )

Wie Bauklötze verteilen sich die Häuser Anjaras über die Felsen, dazwischen rote Erde und Grün, erstaunlich viel Grün für einen nahöstlichen Sommer. In nördlicher Richtung ist die Festung Ajloun zu erahnen, von der aus islamische Herrscher die Handels- und Pilgerwege zwischen Damaskus und Südjordanien sicherten.

Einst soll Jesus mit seiner Mutter und seinen Jüngern hier in den biblischen Bergen Gileads in einer Höhle sein Nachtlager aufgeschlagen haben.

Einer der wichtigsten Pilgerorte des Landes

Das Heiligtum "Unsere Liebe Frau vom Berg" in Anjara gehört inzwischen zu den wichtigsten Pilgerorten des Landes. Seit die Marienstatue im Mai 2010 Blut weinte, zieht sie nicht nur zur Wallfahrt tausende Christen an.

"Unsere Liebe Frau vom Berg" entpuppt sich als katholische Insel inmitten des mehrheitlich muslimischen Anjara. Ein Tor in der Mauer öffnet den Blick. Da ist die Kirche aus den 20er Jahren, längst zu klein für die Gemeinde. Rechts davon das Pfarrhaus, links die Pfarrkirche aus den 60er Jahren. Ihr gegenüber: der Schrein um die hölzerne Maria.

Kirche des Heiligtums "Unserer Lieben Frau vom Berg" in Anjara (Jordanien) / © Andrea Krogmann (KNA)
Kirche des Heiligtums "Unserer Lieben Frau vom Berg" in Anjara (Jordanien) / © Andrea Krogmann ( KNA )

Das Waisenhaus, in dem rund 30 Kinder mit fünf Ordensmännern und -frauen der Gemeinschaft "Verbo encarnado" (Fleischgewordenes Wort) leben, schließt sich an. Dahinter: Spielgeräte und ein Obst- und Gemüsegarten.

Eine der ältesten Pfarreien

Anjara ist eine der ältesten Pfarreien des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem seit seiner Wiedereinrichtung 1847. "Die Register belegen ab 1860 ihre Existenz", erzählt Pfarrer Yousef Francis vom "Verbo encarnado". Der Ägypter kam 2012, "zu einer Zeit, als Christen noch die Mehrheit an der katholischen Schule stellten".

Eine Ordensschwester spricht mit einem Kind im Waisenhaus der Pfarrgemeinde des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem in Anjara / © Andrea Krogmann (KNA)
Eine Ordensschwester spricht mit einem Kind im Waisenhaus der Pfarrgemeinde des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem in Anjara / © Andrea Krogmann ( KNA )

Noch in den 70er Jahren war der Ort "quasi vollständig christlich". Heute sind es 125 Familien, bei rund 25.000 Einwohnern. Viele sind in die USA oder die Golfstaaten gegangen, der Rest nach Amman, wo heute die meisten der rund 180.000 jordanischen Christen leben.

Pfarrer Yousef Francis und seine Ordensgeschwister wollen für jene da sein, die geblieben sind, "eine große Herausforderung, die die Möglichkeiten der Kirche übersteigt". Als Kirche könne man nicht mehr als fünf, sechs Arbeitsstellen schaffen, sagt er. "Viele gehen nach dem Abschluss an den Golf oder nach Amman."

An einem aber halten die Ordensleute fest: "Wir sind das ganze Jahr offen, für alle Menschen", sagt der Priester. Während die einen sich zur Beichte ins Heiligtum zurückziehen, erfreuen sich andere Besucher am Barbecue im Park des Geländes.

Pfarrer Yousef Francis / © Andrea Krogmann (KNA)
Pfarrer Yousef Francis / © Andrea Krogmann ( KNA )

Um die Pfarrei und ihre Marienstatue ranken sich viele Geschichten.

Die hölzerne Madonna, wohl italienischer Herkunft und bis zu 200 Jahre alt, sei auf ihrem Weg von Jerusalem nach Damaskus gewesen, als sie durch Anjara kam, erzählt die pensionierte Pharmazeutin Sana Dababne. "Mehrfach sollte die Statue ihren Weg fortsetzen, nur geklappt hat es nie. Stattdessen begannen die Menschen nach Anjara zur Madonna zu kommen und zu beten. Wunder traten ein, die Gemeinde wuchs", sagt die Christin.

Rote Tränen sollen Maria über das Gesicht gelaufen sein

Selbst für eine wundertätige Statue nicht alltäglich ist das, was Anjara einen festen Platz im Herzen der Heiliglandchristen beschert hat. Es soll sich am 6. Mai 2010 zugetragen haben, als eine der Ordensschwestern mit drei Frauen aus der Pfarrei den Altarraum reinigten. Rote Tränen seien Maria über das Gesicht gelaufen, berichteten sie.

Der zuständige Bischof Salim Sayegh ordnete eine Untersuchung an. Eine Inschrift am Heiligtum gibt den Befund wieder: Die Tränen stammten aus menschlichem Blut. Wenig später erkannte das Patriarchat in Jerusalem die Erscheinung als Wunder an. Zwei Rubinsteine auf dem Antlitz der Statue erinnern an die blutigen Tränen.

Mit dem Blutwunder kamen die Pilger, aus Jordanien, aber auch aus dem Ausland. Dass das jordanische Tourismusministerium "Unsere Liebe Frau vom Berg" zu einer von fünf Stationen auf dem christlichen Pilgerweg durch das Königreich krönte, verhalf dem Heiligtum in dem ärmlichen Gebiet zu zusätzlicher Prominenz.

Der Schrein aus den 80er Jahren wurde 2019 umfassend renoviert. Bis zu 20.000 Besucher kommen jährlich zur Madonna nach Anjara, zusätzlich zu den rund 5.000 Pilgern, die jeweils im Juni an der Wallfahrt teilnehmen, sagt Pfarrer Francis und spricht einmal mehr von den "vielen Wundern".

Lateinisches Patriarchat von Jerusalem

Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem betreut die rund 60.000 bis 70.000 römisch-katholischen Christen im Heiligen Land. Seine Jurisdiktion erstreckt sich über das Staatsgebiet von Israel, Jordanien, Zypern und die Palästinensischen Gebiete. Die Ursprünge des Patriarchats liegen in der Zeit der Kreuzfahrer, die sich als "Lateiner" bezeichneten. Es erlosch jedoch mit dem Fall Akkos 1291. Im Jahr 1847 belebte Papst Pius IX. das Patriarchat neu.

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)
Quelle:
KNA