Berliner Gemeinde fordert Unterstützung für Konvertiten

"Leider schweigen die Kirchen"

Der 25-jährige Momo, integriert und zum Christentum konvertiert, soll in den Iran abgeschoben werden. Momo ist kein Einzelschicksal, sagt Pastor Martens, in dessen Gemeinde viele Konvertiten leben. Wie kann die Kirche ihnen helfen?

Pastor Martens feiert mit Konveriten eine Messe (privat)
Pastor Martens feiert mit Konveriten eine Messe / ( privat )

DOMRADIO.DE: Mohammad Mamourian - kurz Momo - stammt aus dem Iran, lebt seit 2015, also seit sieben Jahren, im bayerischen Cham in Deutschland. Er hat den Einbürgerungstest bestanden, spricht gut Deutsch, lebt von dem, was er mit seinem Job verdient. Dennoch hat ein Gericht entschieden, dass Momo in den Iran abgeschoben werden soll, obwohl er ein Christ ist. Inwiefern ist dieser gerade geschilderte Fall von Momo typisch für die Praxis deutscher Asylpolitik?

Pastor Gottfried Martens (privat)
Pastor Gottfried Martens / ( privat )

Pastor Gottfried Martens (Evangelisch-lutherische Gemeinde Berlin-Steglitz): Es ist leider ein typischer Fall in unserer Gemeinde, in der wir 800 iranische und 400 afghanische Konvertiten haben. Wir erleben immer wieder solche Fälle. Da ich mit vielen anderen Gemeinden in Deutschland in Kontakt bin, weiß ich, dass es hier um Probleme geht, die weit über 1.000 Menschen in ganz Deutschland in ähnlicher Weise betreffen, dass engagierte, konvertierte Christen wieder in den Iran abgeschoben werden sollen.

DOMRADIO.DE: Was droht den zum Christentum konvertierten, wenn sie in den Iran zurückkehren müssen? 

Martens: Wenn sie tatsächlich ihren Glauben dort praktizieren, wovon wir aber in einem Großteil der Fälle ausgehen, dann droht ihnen tatsächlich Verhaftung, Folter und Gefängnis mit all den entsprechenden Schikanen, die dort dann zu erwarten sind. Das weiß ich auch durch persönliche Kontakte dorthin ganz genau.

DOMRADIO.DE: Wie argumentieren denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und auch die Verwaltungsgerichte, wenn sie Asylanträge speziell von solchen Konvertiten ablehnen?

Martens: Sie argumentieren immer wieder damit, dass sie nicht voll davon überzeugt sind, dass diese Menschen ernsthaft konvertiert sind, sondern dass sie das angeblich nur aus asyltaktischen Gründen gemacht haben. Sie argumentieren damit, dass sie im Rahmen eines Interviews oder einer Gerichtsverhandlung sehr viel besser erkennen können, ob jemand ernsthaft konvertiert ist, als ein Pfarrer, der solch einen Menschen über fünf oder sechs Jahre intensiv begleitet hat.

Mehr Einsatz der Kirchen für Konvertiten aus Iran gefordert

Menschenrechtler haben die Kirchen in Deutschland aufgefordert, sich stärker für geflüchtete christliche Konvertiten aus dem Iran einzusetzen, die von Abschiebung bedroht sind. "Ich wünsche mir gerade von den großen Kirchen in Deutschland, dass sie ihre Stimme lauter erheben", sagte der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Martin Lessenthin, am 28. Juli in Frankfurt bei einer Online-Pressekonferenz.

Mann mit Kreuz in der Hand betet vor einem Computerbildschitm / © Streetcats Studio (shutterstock)
Mann mit Kreuz in der Hand betet vor einem Computerbildschitm / © Streetcats Studio ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt es, wenn sie hier gut angepasst sind, Deutsch sprechen, eine Arbeit haben und ihren Lebensunterhalt selber verdienen können?

Martens: Das spielt rein juristisch gesehen tatsächlich keine Rolle, weil es in dem ganzen Asylverfahren nur um die Frage geht, ob jemandem Gefahr an Leib und Leben im Iran droht. Die Argumentation ist dann immer die: Konvertierten Christen droht natürlich Schlimmstes im Iran. Aber wir haben innerhalb von ein bis zwei Stunden herausgefunden, dass er gar kein Christ ist.

DOMRADIO.DE: Über was sprechen Sie mit den Menschen, bevor sie sich entscheiden, Christen zu werden?

Martens: Vor den jeweiligen Taufen haben wir natürlich eine gründliche Taufprüfung, bei der sie mich von ihren persönlichen Gründen, warum sie konvertiert sind, überzeugen müssen. Sie müssen natürlich auch die Grundlagen des christlichen Glaubens kennen. Das ist allerdings ja nur der erste Schritt mit der Taufe. Wenn sie dann fünf oder sechs Jahre später zu den Verwaltungsgerichten kommen, blicke ich schon auf eine lange, intensive Zeit der Begleitung zurück. Ich kann dann in den Verwaltungsgerichten natürlich noch sehr viel mehr sagen. Aber es heißt dann immer wieder, die Aussagen des Pfarrers sind nicht von Bedeutung.

DOMRADIO.DE: Sie sind enttäuscht von den beiden großen Kirchen, wenn es um das Schicksal der Betroffenen geht. Was würden Sie sich wünschen?

Martens: Ich würde mir wünschen, dass die christlichen Kirchen gemeinsam darauf hinweisen, dass hier unser deutscher Staat immer wieder in massivster Weise übergriffig ist und tatsächlich sich anmaßt, Dinge zu beurteilen, die weit über seine Kompetenz hinausgehen. Richter und BAMF gehen von ihren sehr persönlichen Vorstellungen aus, was angeblich einen Christen ausmacht, was oft etwas völlig anderes ist, als das, was die Kirchen sagen.

Die Kirchen müssten sehr laut auftreten und sagen: Das ist nicht Aufgabe des Staates, zu definieren, was einen Christen ausmacht. Aber leider schweigen die Kirchen dort immer wieder. Es gab letztes Jahr ein insgesamt sehr gutes längeres Papier der christlichen Kirchen zum Thema Migration, wo über alle möglichen Probleme von Geflüchteten berichtet wird - nur über die Situation der konvertierten Christen - eisiges Schweigen. Ich würde mir wünschen, dass die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland sehr laut einmal sagt, was hier geschieht. Da wird nicht nur einigen wenigen, sondern Tausenden von ernsthaften Christen bittererstes Unrecht in unserem Land zugefügt, was für sie lebensgefährlich werden kann.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR