DOMRADIO.DE: Was interessiert Sie theologisch am Elektro-Festival "Parookaville"? Sie haben ja sogar darüber nachgedacht, über das Thema zu promovieren.
Maximilian Heuvelmann (Katholischer Theologe): Ich habe immer noch vor darüber eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Ich sehe zum einen erst mal Transformationsprozesse. Schon die Frage für mich als Theologe "Warum zieht Parookaville so viele Hunderttausende von Menschen an?" Ich glaube, dieses Wochenende waren es etwa 225.000.
Was hat Parookaville, was die Kirchen nicht haben oder was das Angebot Evangelium eben nicht hat? Ich glaube, da gibt es ein paar Dinge. Ich sehe Strukturelemente, die sich mit dem Religiösen ergeben. Es gibt Initiationsformen, man ist "Parookacitizen" (Citizen: "Bürger", engl.) für ein Wochenende. Man bekommt einen Stempel in den Reisepass. Das hat eine gewisse Hierarchie. Je öfter man da ist, desto höher ist man quasi in der Bürgerschaft angesehen. Es gibt eine Form von Altar. Also die DJ Bühne ist so ein bisschen der Priester mit dem Altar. Es gibt eine Kathedrale, das ist die offene Mainstage. Diese religiösen Strukturelemente sehe ich erstmal.
Viel spannender ist, dass die Kirche und die Theologie versuchen, die Gottesfrage als Sinnfrage aufzuweisen. Ich glaube, dass wir an diesem korrelativen Moment völlig scheitern, also dass die Gottesfrage nicht mehr als Sinnfrage erst mal in Betracht kommt für eine ganz erhebliche Anzahl von Menschen. Trotzdem erleben die Leute bei Parookaville, glaube ich, schon eine Form von Sinnstiftung.
DOMRADIO.DE: Vor ein paar Tagen hat uns ein Interviewgast gesagt, dass die Kirche vom Fußball in Sachen Leidenschaft schon noch was lernen könnte. Beim Festival ist man mit vielen Tausenden Menschen zusammen. Man hat eine gemeinsame Leidenschaft, die Musik und das Tanzen. Sehen Sie das da ähnlich? Könnte die Kirche da noch was lernen?
Heuvelmann: Ja, die Kirche kann lernen, das Narrativ, was sie hat, nämlich die Liebe Gottes in die Welt zu bringen, stärker zu befeuern. Ich glaube, das, was Parookaville schafft, ist eben, dass es diese Leidenschaft gibt, dass es im Prinzip überhaupt keine Grenzen gibt, alle sind Parookabürger. Das geschieht über dieses Narrativ "Du bist frei und du bist geliebt". Letztlich ein total christlich kirchliches Motiv, das Parookaville da bedient.
DOMRADIO.DE: Bei einem Gottesdienst kommen auch ganz viele einzelne Menschen zusammen, die aber dann für das Gleiche brennen und zu einer Gemeinschaft werden. Was nehmen Sie als Christ aus diesem Festival mit? Sie waren ja live dabei.
Heuvelmann: Eine unfassbar hohe Wertschätzung den Menschen gegenüber, die da kommen, ohne normative Grenze und Schranken, ohne Vorurteile. Das hat mich wirklich nachhaltig beeindruckt mit der Frage "Kann ich das als Christ so oder habe ich nicht viel zu oft eine Vorurteilsbrille auf der Nase?"
DOMRADIO.DE: Sie waren ja auch einen Tag gemeinsam mit dem Weihbischof Rolf Lohmann vor Ort. Sie sind ja sein Referent. Wie haben Sie das Festival denn gemeinsam mit ihm erlebt?
Heuvelmann: Es war ganz spannend. Ich gehörte zur Fraktion "Hemd und seriöse Hose". Auch die Inszenierung des Körpers ist, glaube ich, Teil dieses Festivals. Von dem Moment an waren wir eigentlich erkennbar, dass wir irgendwie nicht richtig rein gehören.
Eine Situation vor der Parookachurch war auch interessant. Wir gingen an der Schlange vorbei, um reinzukommen. Wir folgten dem Bernd Dicks und da hörte ich aus der Schlange eine Stimme, die sagte "Ist der Priester?" Und guckte dabei den Weihbischof an und der war nicht als Weihbischof erkenntlich. Ich habe mir gedacht, dass es spannend ist, wenn er es schon so ausstrahlt.
Viel wichtiger finde ich den Haltungswechsel, den wir als Kirche lernen müssen. Er ist dahin gegangen und ist der Einladung gefolgt, wo die Menschen sind. Die Menschen an sich gibt es nicht, ich verwende den Begriff jetzt trotzdem. Er hat all die Schutzräume, die wir als Kirche haben, in Form von Xantener Dom, vom Büro und so weiter aufgegeben, um sich auf den Weg zu machen. Das finde ich großartig, diesen Haltungswechsel.
Das Interview führte Michelle Olion.