Die Masern-Impfpflicht in Deutschland kann weiter bestehen bleiben. Sie verstößt nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen das Grundgesetz. Der Erste Senat entschied am Donnerstag, dass die Impfpflicht aber nur gilt, wenn es sich – wie derzeit in Deutschland üblich – um Kombinationsimpfstoffe handelt, die keine weiteren Impfstoffkomponenten enthalten als die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken. Geklagt hatten vier Eltern und ihre Kinder. Sie machten unverhältnismäßige Eingriffe in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit geltend.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einer guten Nachricht für Eltern und Kinder. 2Eine Masernerkrankung ist lebensgefährlich - für die Erkrankten und ihr Umfeld. Es ist deshalb Aufgabe des Staates, Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen wie KiTa oder Schule zu vermeiden", erklärte er.
Auch die Kinder- und Jugendärzte begrüßten den Beschluss. "Die Entscheidung der Karlsruher Richter ist weise", sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Freitag). Alle anderen Maßnahmen für eine höhere Impfquote hätten nicht gefruchtet. "Bis auf einige Esoteriker und Anthroposophen haben die Menschen begriffen, warum diese Impfung so wichtig ist, der Impfstoff ist sicher und seit Jahrzehnten erprobt", so Fischbach.
Zustimmung kam auch von der Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern. Sie forderte zugleich, dass die Gesundheitsämter die Kontrolle des Impfstatus von Kindern übernehmen müssten, sagte sie der "Rheinischen Post" (Freitag). Die Kontrolle dürfe nicht auf die Lehrenden und Erziehenden abgewälzt werden.
Eine Impfpflicht bei Masern wurde 2019 vom Bundestag beschlossen; sie gilt vollständig seit 1. August 2022. Kinder und Beschäftigte in Schulen und Kitas, aber auch in Flüchtlingsunterkünften, Arztpraxen und Krankenhäusern müssen seitdem gegen die Infektionskrankheit geschützt sein. Nichtgeimpfte Kinder können vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden. An Schulen geht dies wegen der Schulpflicht nicht. Verhängt werden können am Ende aber Bußgelder bis zu 2.500 Euro.
Der Erste Senat entschied, die Regelung sei "im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig". Der Gesetzgeber habe abgewogen zwischen den möglichen schweren Folgen einer Masernerkrankung und den Interessen der Kinder und Eltern, die gegen eine Impfung sind. Für die Pflicht sprächen die hohe Übertragungsfähigkeit und Ansteckungsgefahr sowie das Risiko, als Spätfolge der Masern eine für gewöhnlich tödlich verlaufende Krankheit erleiden zu können: "Demgegenüber treten bei einer Impfung nahezu immer nur milde Symptome und Nebenwirkungen auf", so der Beschluss wörtlich. Ein echter Impfschaden sei extrem unwahrscheinlich. Deshalb komme "dem Eingriff in das Elternrecht insoweit kein besonders hohes Gewicht zu".
In Deutschland kommt es immer wieder zu Masernausbrüchen, da weniger als 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass sich die Masern nicht ausbreiten können, wenn mehr als 95 Prozent der Bürger eine Immunität gegen Masern durch Impfung oder durch eine durchgemachte Erkrankung haben.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine erste Impfung als Masern-Mumps-Röteln-Kombinationsimpfung (MMR) im Alter von 11 bis 14 Monaten. Eine zweite Impfung sollte im Alter von 15 bis 23 Monaten erfolgen. Für Erwachsene empfiehlt die Stiko eine Impfung gegen Masern für alle, die nach 1970 geboren wurden und noch gar nicht oder nur einmal in der Kindheit gegen Masern geimpft wurden oder deren Impfstatus unklar ist. (KNA 18.08.2022)