Es wäre nicht die ganz große Bühne gewesen. Eher ein Rahmen für Annäherung und vertrauliche Gespräche - auch abseits der Kameras. Ein Treffen von Papst Franziskus und dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. beim Weltkongress der Religionen (13.-15. September) in Kasachstan hatte Potenzial und Sprengstoff zugleich.
In ukrainischen Ohren war allein die Option des Treffens mit dem Kriegsbefürworter Kyrill eine Beleidigung. Nun findet es definitiv nicht statt. Der Russe bleibt dem Kongress fern und schickt lediglich eine Delegation. Auch wenn das Moskauer Patriarchat, wie es hieß, die Initiativen Kasachstans zur Entwicklung des interreligiösen Dialogs sehr schätze.
Unterschiedliche Perspektive
Die Erklärung von Metropolit Antonij (Sevrjuk), Außenamtsleiter des Patriarchates, lässt sich auf zwei Arten lesen. Einerseits scheint die Absage von Kyrill, der im Herbst die Einladung aus Nur-Sultan angekommen hatte, wie eine erneute Absage an das päpstliche Dialogangebot. So hat es laut Metropolit bislang keine offiziellen Kontakte hinsichtlich einer Begegnung von Franziskus und Kyrill in Kasachstan gegeben. Eine solche Begegnung müsse zudem "äußerst sorgfältig" vorbereitet, die Tagesordnung vereinbart und eine daraus resultierende Erklärung im Voraus durchdacht werden.
Dass Planungen für ein Treffen der beiden in Jerusalem im Juni ausgesetzt worden seien, sei indes eine "große Überraschung" gewesen, so der Metropolit weiter. Der Vatikan hätte dies "einseitig" öffentlich bekanntgegeben. Seither habe es keine offiziellen Vorschläge aus dem Vatikan für ein Treffen gegeben.
Aus dem Vatikan klingt das anders. Laut Franziskus persönlich sei ein Treffen in Jerusalem "einvernehmlich" abgesagt worden; aus Sorge, dass es "zum größten Teil missverstanden" worden wäre. Auf der anderen Seite nutzt der Papst jede Gelegenheit, um den "irrsinnigen Krieg" und dessen Profiteure zu kritisieren. Dem Patriarchen warf er in einem Interview indirekt an den Kopf, dass dieser auf dem Weg sei, zu "Putins Messdiener" und "Staatskleriker" zu mutieren.
Erste Begegnung auf Kuba
Die erste Begegnung eines Papstes und eines Moskauer Patriarchen überhaupt in der Geschichte hatte 2016 auf Kuba stattgefunden, einem neutralen Ort. Es war als großes Zeichen des Dialogs gewertet worden.
Die Absage jetzt klingt nicht nach Dialog. Kyrills Nähe zu Präsident Wladimir Putin ist allbekannt. Dass man in Russland über die kritischen Worte von Franziskus nicht erfreut ist, ist ebenfalls kein Geheimnis.
Andererseits ist der Austausch zwischen Patriarch und Vatikan nicht abgebrochen. So hatte Franziskus Anfang August Metropolit Antonij empfangen. Am Mittwoch traf der Metropolit laut eigener Aussage den Papstbotschafter in Russland, Erzbischof Giovanni d'Aniello. Beide Male ging um "Fragen von beiderseitigem Interesse".
Besondere Bedeutung als Begründung
Bedeutender als dieser Austausch könnte die weitere Begründung Antonijs für Kyrills Absage gewertet werden. Der Außenamtschef führte gegenüber der russischen Nachrichtenagentur auch aus, dass ein Treffen zwischen Patriarch und Papst wegen dessen besonderer Bedeutung "nicht am Rande" einer anderen Veranstaltung stattfinden könne, egal wie bedeutend diese sei.
Das lässt sich auch so lesen: Ein Randschauplatz ist den Russen zu wenig. Einem Treffen von Kyrill und Papst wird "besondere Bedeutung" beigemessen. Ein rein bilaterales Treffen der beiden wäre demnach weiter möglich, vielleicht gar gewünscht.
Für Ukraine schwierig
Für die ukrainische Seite bleibt der Austausch zwischen Rom und Moskau schwierig. Seit Wochen betont der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrij Jurasch, dass Franziskus zuerst in die Ukraine reisen müsse. Und der Papst hat mehrfach zugesagt, dass er eine solche Reise plane. Zum richtigen Zeitpunkt. Wann, bleibt unklar.
Die Haltung des Papstes führt bei den Ukrainern immer wieder zu Irritation, ja Unmut. Erst am Mittwoch hatte Jurasch seinem Ärger über Äußerungen des Papstes zum Krieg Luft gemacht: Es sei "nicht angemessen, die Ukraine und Russland in dieser Situation auf eine Stufe zu stellen." Zwar wünschen sich die Ukrainer laut Jurasch weiter einen Besuch von Franziskus, fühlen sich aber des Öfteren von ihm vor den Kopf gestoßen.
Franziskus bemüht sich seit Kriegsbeginn um einen Spagat. Er nennt den Aggressor Russland nicht beim Namen. Spricht von der Schuld beider Seiten für den "Wahnsinn des Krieges". Franziskus will allein dem Frieden dienen. Daher würde er gerne Putin treffen und hätte sich gerne mit Kyrill ausgetauscht - mit dem "Seelsorger" Kyrill, nicht dem Staatskleriker.