Katholische Friedensstiftung: Im August 2022 startet erstmalig der Friedenswettbewerb unter Ihrer Schirmherrschaft. Wie kamen Sie auf die Idee?
Christian Wulff (Bundespräsident a.D. und Schirmherr des Friedenswettbewerbs 2022): Als Ministerpräsident und als Bundespräsident war ich immer wieder total begeistert von jungen Menschen, die sich mit Themen einzeln oder in Gruppen intensiv auseinandersetzten. Deren Arbeiten waren oft sehr tiefgründig und zugleich kreativ. 2023 jährt sich nun der Westfälische Frieden zum 375. Mal. Der Überfall auf die Ukraine zeigt uns, wie gefährdet der Frieden immer noch ist. Deshalb sollte nach Wegen zum Frieden stets gesucht werden.
Die Katholische Friedensstiftung in Hamburg war begeistert und hat die Organisation übernommen. Die Städte Osnabrück und Münster, die Evangelische Kirche Deutschland, das Islamkolleg Deutschland, jüdische Gemeinden – viele machen mit – jeder ist herzlich eingeladen und willkommen. Frieden ist die Basis lebenswerter Existenz. Er bedarf des Einsatzes jeder Demokratin und jedes Demokraten. Ein Wettbewerb motiviert Menschen aller Altersgruppen über den Wert und die Bedeutung von Frieden intensiv nachzudenken.
Katholische Friedensstiftung: Wer kann alles mitmachen?
Wulff: Alle dürfen – und sollen bitte – mitmachen. Der Friedenswettbewerb ist altersoffen: Grundsätzlich von Kindergarten, über alle Schulformen, Studierende, Auszubildende, Familien, Senioreneinrichtungen – wir möchten möglichst viele Menschen erreichen. Sich in der heutigen Zeit mit dem elementaren Thema Frieden zu beschäftigen – Frieden in uns selber, in den Gemeinschaften, zwischen den Gläubigen aller Religionen ist wichtig und richtig.
Katholische Friedensstiftung: Sie sprachen von verschiedenen Religionen. Das war damals, vor 375 Jahren bei dem Westfälischen Frieden, der ja Anlass dieses Friedenswettbewerbs ist ja noch mit Ursache des Konfliktes. Wie sehen Sie das heute, bei den aktuellen Herausforderungen hier in Deutschland? Und wie ist da der Friedenswettbewerb aufgestellt?
Wulff: In Deutschland, in Europa und weltweit trägt Vielfalt zur Bereicherung unserer Gesellschaft bei. Dazu gehören auch die verschiedenen religiösen Ausrichtungen. Der Friedenswettbewerb ist multikonfessionell: Er wird ausgerichtet von der Katholischen Friedensstiftung in Kooperation mit der Evangelischen Kirche, dem Islamkolleg, Islamischen Gemeinschaften, jüdischen Gemeinden sowie Buddhisten. Alle sind herzlich eingeladen. Sobald wir aufeinander zugehen, ein Verständnis füreinander entwickeln, legen wir Ängste ab und bauen Wissen auf – das hilft für ein besseres Miteinander.
Katholische Friedensstiftung: Der Westfälische Friede wird nicht allen sofort etwas sagen, warum ist er historisch und politisch wichtig?
Wulff: Der Westfälische Frieden kann uns in verschiednerer Hinsicht als Vorbild dienen. "Pax sit christiana, universalis et perpetua" - "Es soll ein christlicher, allgemeiner und fortdauernder Friede sein", so lautet der erste Artikel der Friedensverträge von Münster und Osnabrück. Der Westfälische Frieden hat erstmalig für alle Streitparteien verbindliche Rechtsnormen geschaffen. Das war die Geburtsstunde für europäisches Völkerrecht. Der Beginn des Multilateralismus. Er ist auch Vorbild für alle späteren Friedenskonferenzen, da er dem Prinzip der Gleichberechtigung der Staaten, unabhängig von ihrer tatsächlichen Macht, zur Durchsetzung verhalf.
Katholische Friedensstiftung: Welchen Ausgangspunkt gab es für den Wettbewerb?
Wulff: Der Ausgangspunkt war das Jubiläum 375 Jahre Westfälischer Frieden. Dass das Thema aktueller und wichtiger denn je ist, zeigt der Krieg in der Ukraine oder auch die Spannungen zwischen China und Taiwan.
Katholische Friedensstiftung: Warum bilingual?
Wulff: Frieden entsteht durch Sprache. Wir setzen damit ein Zeichen für Verständigung und für Weltoffenheit. Wir wollten die Chance eröffnen, dass auch internationale Schulen und Schulen im Ausland mitmachen. Das ist ein grenzübergreifender und integrativer Ansatz. Wir haben schon Anfragen aus dem fremdsprachigen Raum, was uns sehr freut. Es ist der allererste bilinguale Wettbewerb in diesem Format.
Katholische Friedensstiftung: Welche Preise erwarten die GewinnerInnen?
Wulff: Es werden Erlebnispreise sein, um die Originalschauplätze zu besuchen. Auch werden beispielsweise Kurse in gewaltfreier Kommunikation darunter sein. Wir bilden damit Friedensbotschafter aus, die Teilnehmenden werden so zu Multiplikatoren für ein friedliches Zusammenleben.
Katholische Friedensstiftung: Wer sitzt in der Jury?
Wulff: Die Jury ist breit aufgestellt und erstreckt sich über die Bereiche der Theologie, die Islamwissenschaft bis hin zu Pädagogik (einzusehen auf Die Menschen in der Jury - Friedenswettbewerb).
Katholische Friedensstiftung: Unsere Generation ist sozusagen friedensverwöhnt. Wir leben in Deutschland seit über 77 Jahren in Frieden. Was bedeutet für Sie persönlich Frieden?
Wulff: Ich wurde 1959 geboren und erlebe seitdem ein Leben in Frieden und Freiheit. Bisher 63 Jahre lang. Was für ein anderes Leben hatte jemand, der 1896 geboren wurde und 1959 63 Jahre alt war? Er mußte mit 18 bis 22 und 43 bis 49 Jahren zwei Weltkriege er-und überleben. Frieden ist die Basis für ein – physisch wie seelisch - glückliches freies Leben. Meine Generation ist noch durch die Eltern und die Kriegserfahrungen ihrer Eltern geprägt.
Für meine Generation ist der Krieg nicht so weit weg gewesen. Es ist ein exzeptionelles Gut, eine so lang andauernde Friedenszeit in Europa erlebt zu haben. Dieses Gut müssen wir weiter erhalten. Ehemalige Feinde haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Hand gegeben und waren überzeugt von "Nie wieder Krieg". Um diese Überzeugung aufrechtzuerhalten, braucht es den Einsatz von uns allen fortwährend.
Das Interview führte die Katholische Friedensstiftung.
Information der Redaktion: Das Interview wurde DOMRADIO.DE freundlicherweise zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.