Landesbischof Meister will "Judensau" zerstören

Die Kontroversen halten an

Der Bischof Ralf Meister hat sich für die Entfernung und Zerstörung der "Judensau" an der Fassade der evangelischen Stadtkirche Wittenberg ausgesprochen. Dies sei der richtige Umgang mit einer fehlgeleiteten, vernichtenden Ästhetik.

Eine als "Judensau" bezeichnete mittelalterliche Schmähskulptur an der Außenwand der Wittenberger Stadtkirche Sankt Marien / © Hendrik Schmidt (dpa)
Eine als "Judensau" bezeichnete mittelalterliche Schmähskulptur an der Außenwand der Wittenberger Stadtkirche Sankt Marien / © Hendrik Schmidt ( dpa )

"Man sollte sie nicht nur entfernen, sondern radikal vernichten, zerstören und kaputt machen", sagte der hannoversche Landesbischof Meister am Sonntagabend in der Marktkirche in Hannover. Meister reagierte damit auf den Vorschlag des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, derartige Skulpturen ins Museum zu stellen. Beide diskutierten am Vorabend des Reformationstages bei der Veranstaltung "Was gesagt werden muss. Judentum und Reformation."

Judenfeindliche Schmähplastik darf bleiben

Der Wittenberger Gemeindekirchenrat hatte am vergangenen Dienstag nach jahrelangem Streit beschlossen, dass die judenfeindliche Schmähplastik aus dem Mittelalter an Martin Luthers Predigtkirche nicht entfernt werden, sondern als Mahnstätte und Lernort erhalten bleiben soll. "Als wenn wir sonst nicht genug Lernorte hätten", kommentierte Meister diese Entscheidung.

Der leitende Theologe sagte, er habe seinerzeit die Bemühungen um eine Kontextualisierung der Wittenberger "Judensau" inklusive einer erklärenden, distanzierenden Texttafel für "sehr plausibel" gehalten. Inzwischen habe er seine Meinung aber geändert. "Ich habe mit vielen Jüdinnen und Juden gesprochen, die das Relief weiterhin unerträglich finden."

Distanzierung der Gemeinde ausreichend

Felix Klein hatte sich zuvor in seinem Impulsvortrag skeptisch gegenüber einem "Bilderverbot" gezeigt. Zudem sollten nicht Gerichte über diese Frage entscheiden - wie im Falle von Wittenberg der Bundesgerichtshof. Dieser hatte im Juni geurteilt, dass die "Judensau" trotz des antijüdischen Inhalts an seinem historischen Ort verbleiben kann, da die Distanzierung der Gemeinde ausreichend sei.

Klein argumentierte hingegen, die Wittenberger Tafel von 1988 setze zu viel Wissen voraus und sei heute nicht mehr allgemein verständlich. Er hoffe auf einen gesamtgesellschaftlichen Dialog, wie er in einem ähnlichen Fall in Regensburg gelungen sei. "Gebieten es nicht allein Moral und Anstand und Rücksicht auf die Empfindungen der Geschmähten, beleidigende und schmähende Darstellungen zu entfernen?", fragte der Beauftragte der Bundesregierung.

Forderung nach unterschiedlichen Lösungen

Der Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, hat sich hingegen für vielfältige Lösungen im Umgang mit judenfeindlichen Darstellungen an Kirchenbauten ausgesprochen. Es gebe "keine einheitliche Lösung für alle Orte und Kontexte", sagte Staffa in einem am Montag veröffentlichten Interview des Online-Magazins "Die Eule". Informationstafeln zu solchen Darstellungen seien aber in jedem Fall richtig.

Staffa erklärte, er habe der Empfehlung des Expertenbeirats, die Plastik abzunehmen, zugestimmt. Vor allem plädiere er aber für eine Verhüllung der Skulptur, da sie "so obszön und gotteslästerlich ist".

Zugleich wandte er sich dagegen, sie in einem Museum auszustellen, weil "die Verbindung zum Kirchlichen bleiben muss, sonst stehlen wir uns aus der Verantwortung". Der EKD-Beauftragte äußerte Verständnis, dass sich die Debatte über solche Darstellungen auf Wittenberg konzentriert, da die Lutherstadt das "Jerusalem des Protestantismus" sei.

Das Stichwort: Die Wittenberger "Judensau"

Das Sandsteinrelief wurde um das Jahr 1300 an der Südfassade der Stadtkirche Wittenberg angebracht. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein.

Mit solchen Darstellungen sollten Juden im Mittelalter unter anderem davon abgeschreckt werden, sich in der jeweiligen Stadt niederzulassen. Ähnliche Spottplastiken finden sich auch am oder im Kölner und Regensburger Dom sowie am Dom zu Brandenburg.

Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild (KNA)
Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild ( KNA )
Quelle:
epd , KNA