Papst Franziskus nutzt Rückflug für Appelle

"Persönliche Geschichte wiederfinden"

Papst Franziskus hat auf seinem Rückflug von Bahrain religiöse und politische Themen in den Blick genommen. Er forderte erneut eine menschliche Flüchtlingspolitik der EU und sprach auch den Reformprozess der Kirche in Deutschland an.

Papst Franziskus während seiner Bahrain-Reise / © Maurizio Brambatti (dpa)
Papst Franziskus während seiner Bahrain-Reise / © Maurizio Brambatti ( dpa )

Um die Kirchenkrise in Deutschland zu überwinden, sollten sich die Katholiken nach Meinung von Papst Franziskus auf die Wurzeln ihres Glaubens besinnen. Bei der fliegenden Pressekonferenz auf dem Weg von Bahrain nach Rom sagte der Papst am Sonntagnachmittag, es bestehe auch in Deutschland die Gefahr, den Glaubenssinn des Volkes Gottes aus den Augen zu verlieren.

"Und dann verfallen wir in rein ethische Debatten, in Diskussionen gemäß dem aktuellen Zeitgeist, in kirchenpolitische Diskussionen, in Diskussionen, die nicht aus der Theologie kommen und die nicht den Kern der Theologie treffen", so Franziskus.

"Wir alle haben eine persönliche Geschichte"

Man müsse fragen, was der Glaube der einfachen Leute sei. Weiter sagte der Papst: "Wir alle haben eine persönliche Geschichte, woher unser Glaube kommt, und auch die Völker haben eine solche Geschichte. Die muss man wiederfinden!"

In diesem Zusammenhang zitierte der Papst einen Satz von Hölderlin: "Dass dir halte der Mann, was er als Knabe gelobt." Die Wurzel des Glaubens sei die ursprüngliche existenzielle Erschütterung durch das Evangelium. "Die Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus - von da geht alles aus. Von da kommt der (...) Impuls, an die Ränder zu gehen, auch an die moralischen Ränder, um den Menschen zu helfen. Aber wenn das alles nicht von der Begegnung mit Jesus Christus ausgeht, wird es zu einem Ethik-Gerede, das sich als Christentum verkleidet."

Mittelmeerländer nicht mit Verantwortung allein lassen 

Franziskus machte sich auf dem Rückflug von Bahrain auch für eine europaweite Einigung bei der Aufnahme von Bootsflüchtlingen stark. Migranten müssten aufgenommen, begleitet, gefördert und integriert werden. Ziel müsse die Integration sein.

Weiter sagte der Papst, jede Regierung in der EU müsse sich darüber klar werden, wie viele Migranten sie aufnehmen könne. Die Migrationspolitik müsse zwischen den Staaten abgestimmt werden, Ziel müsse eine Politik der Zusammenarbeit und der Hilfe sein.

Kritik an Strukturen der Kolonialzeit

"Man kann nicht die Mittelmeerstaaten wie Griechenland, Italien oder Spanien alleine lassen mit der Verantwortung für alle Migranten, die an ihren Küsten landen", so der Papst.

Zum restriktiveren Kurs der neuen italienischen Regierung an den Häfen des Landes bemerkte Franziskus, bislang hätten alle Regierungen nach der Maxime gehandelt, dass Menschenleben gerettet werden müssen. Er glaube nicht, dass die jetzige Regierung Italiens diese Linie verlassen wolle. Auch bei den jüngsten Anlandungen in Sizilien wolle die Regierung Müttern, Kindern und Kranken erlauben, an Land zu gehen.

Keine italienische Regierung solle in der Migrationsfrage ohne Abstimmung mit den anderen Ländern Europas handeln. Letztlich könne aber das Problem der Einwanderung aus Afrika nur in Afrika gelöst werden. "Wenn eine der Ursachen der Einwanderung aus Afrika ist, dass die Menschen dort in Armut leben und ausgebeutet werden, müssen wir dafür sorgen, dass Afrika sich wirtschaftlich entwickelt." Noch heute gebe es auf die Kolonialzeit zurückgehende Strukturen der Ausbeutung in Afrika, so Franziskus.

Regierung Meloni eine Chance geben

Papst Franziskus sprach sich dafür aus, der italienischen Regierung unter Führung von Giorgia Meloni eine faire Chance zu geben. "Die haben gerade erst angefangen, und ich wünsche ihnen alles Gute, dass sie Italien voranbringen. Ich wünsche immer jeder Regierung das Beste", sagte der Papst.

Von den Parteien, die jetzt die Partei mit den meisten Stimmen kritisieren, hoffe er auf eine konstruktive Mitarbeit zum Wohle des Landes. Auch hoffe er, dass die Regierung nicht wie so viele zuvor gestürzt werde, weil jemandem irgendetwas nicht gefällt. Italien habe schon so viele Regierungen gehabt, das sollte aufhören, so der Papst gegenüber den mitreisenden Journalisten.

Papst ruft Politiker im Libanon zur Verantwortung auf 

Angesichts der schweren Staatskrise im Libanon rief der Papst die Politiker des Landes auf, Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen und ihre Einzelinteressen zurückzustellen. Franziskus beschwor die Politiker aller Konfessionen im Libanon, das Land nicht untergehen zu lassen.

"Zuerst kommt Gott, dann das Vaterland, und dann erst die politischen und privaten Interessen", sagte er. Zugleich rief er dazu auf, für den Libanon und die dort lebenden Menschen zu beten. Der Libanon sei wegen der Koexistenz unterschiedlicher Religionsgemeinschaften nicht nur ein Land, sondern eine Botschaft, betonte er. Dass dieses Land jetzt existenziell bedroht sei, schmerze ihn sehr, so der Papst.

Idee zum Dokument von Abu Dhabi kam beim Brotbrechen 

Franziskus enthüllte während des Rückflugs nach Rom auch, wie es zu dem historischen "Dokument von Abu Dhabi" kam, das seither den Weg für eine Annäherung von Christen und Muslime geebnet hat. Nach einem Besuch im Vatikan habe er den Kairoer Großimam Ahmed al-Tayyeb spontan zum Mittagessen eingeladen.

Beim Brotbrechen am Tisch sei dann die Idee entstanden, ein Grundsatzdokument über die geschwisterlichen Beziehungen zwischen Muslimen und Christen zu verfassen. Nach ersten Entwürfen und mehreren Bearbeitungsschritten sei dieses dann 2019 in Abu Dhabi von beiden gemeinsam unterschrieben und veröffentlicht worden.

"Das haben wir zum Glück überwunden"

Franziskus erklärte, die jüngsten Erklärungen von Al-Tayyeb in Bahrain über eine mögliche Aussöhnung zwischen Sunniten und Schiiten hätten ihn sehr beeindruckt. Er erinnerte in diesem Kontext an die "hässliche Geschichte" der konfessionellen Konflikte und Kriege im Christentum. "Das haben wir zum Glück überwunden", erklärte der Papst.

Zugleich verriet er, dass Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Al-Tayyeb nach den vier Tagen des Papstbesuchs in Bahrain, wo sie dabei waren, nun gemeinsam nach Kairo geflogen seien. Über den Anlass dieser Reise schwieg sich der Papst allerdings aus.

Das Christentum in Bahrain

Im arabischen Königreich Bahrain sind von den rund 1,4 Millionen Einwohnern gut 70 Prozent Muslime (davon bis zu 60 Prozent Schiiten, 40 Prozent Sunniten). Die Christen machen rund 14,5 Prozent aus. (Hindus 9,8 Prozent, Buddhisten 2,5 Prozent). Die einheimische Bevölkerung, die nicht einmal die Hälfte der Einwohner ausmacht, ist fast zur Gänze muslimisch, es gibt aber auch einige wenige einheimische Christen.

Blick auf Manama, Bahrain / © P.V.R.M (shutterstock)

 

Quelle:
KNA