Klatsche für die Politik, Auftakt für den Wahlkampf und Zittern für Berlins Regierungschefin Franziska Giffey (SPD): Die von zahlreichen Pannen geprägte Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss komplett wiederholt werden. Die Abstimmung am 26. September 2021 sei wegen "schwerer systemischer Mängel" ungültig, urteilte der Berliner Verfassungsgerichtshof.
Damit befindet sich Berlin im Wahlkampf. Giffey, die eine rot-grün-rote Koalition leitet, muss um ihren Platz im Roten Rathaus zittern. Als Termin für die Wiederholung, die auch die zwölf Bezirksparlamente betrifft, legte Landeswahlleiter Stephan Bröchler den 12. Februar 2023 fest.
Bis zur Konstituierung des neuen Parlaments könne das aktuelle weiterarbeiten, so das Gericht. Da es sich um eine Wiederholungs- und keine Neuwahl handele, ende die Legislaturperiode weiterhin 2026. Die Parteien müssen mit denselben Kandidaten antreten wie 2021.
Das Gericht nannte einige Zahlen als Beleg für seine Entscheidung: So hätten allein bei der Zweitstimme mindestens 20 000 Menschen ihre Stimmen nicht abgeben können. Der AfD hätten demnach bereits 2000 Stimmen mehr einen weiteren Sitz im Abgeordnetenhaus gebracht, den Grünen fehlten 10 000 Stimmen für einen weiteren Sitz. 88 von 147 Parlamentssitzen seien von mandatsrelevanten Wahlfehlern betroffen.
Das Urteil über eine komplette Wahlwiederholung aufgrund massiver Fehler ist in dieser Form bislang einzigartig in Deutschland. Das Hamburgische Verfassungsgericht hatte die Wahl zur Bürgerschaft 1991 für ungültig erklärt, allerdings aus anderen Gründen: Die CDU hatte ihre Kandidaten unrechtmäßig aufgestellt. In der Folge gab es dann 1993 eine Neuwahl, nachdem sich das Parlament aufgelöst hatte.
Die Berliner Entscheidung ist nicht unumstritten - auch in den Reihen des Verfassungsgerichts. Das Urteil sei mit 7:2 Stimmen ergangen, teilte Präsidentin Selting mit. Etliche Politiker und Rechtsexperten hatten in den vergangenen Monaten für eine Teilwiederholung plädiert. (dpa/16.11.2022)