DOMRADIO.DE: Patientinnen und Patienten sollen in Deutschland, nach den Plänen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, künftig wieder mehr nach medizinischen und weniger nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten behandelt werden. Dazu will er die sogenannten Fallpauschalen abschaffen. Ist das denn in Ihren Augen der richtige Schritt?
Bernadette Rümmelin (Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands, kkvd): Die komplette Abschaffung der Fallpauschalen hat er ja nicht propagiert. Das muss man jetzt noch mal hinzusetzen, sondern was versprochen wurde und wirklich sehr vorausschauend auch dargestellt wurde, war eine Veränderung der Finanzierungssystematik. Und zwar, dass das Ganze jetzt auf einem Zwei-Säulen-Modell in Zukunft bestehen soll. Darin liegt das Revolutionäre, wenn Sie das so nennen wollen, nämlich die Vorhaltekosten über eine Vorhaltepauschale zu finanzieren. Das ist zukünftig die erste Säule in der Finanzierung.
Die zweite Säule der Finanzierung soll die bisher bekannten Fallpauschalen darstellen, so dass die Vorhaltekostenpauschale die Fallpauschalen-Finanzierung ergänzen wird. Das ist der neue Ansatz. Und ja, den sehen wir, vor allem aus der Perspektive der frei gemeinnützigen Krankenhausträger, als sinnvoll an.
DOMRADIO.DE: Jetzt will der Minister die Krankenhäuser nach Vorsorgestufen einteilen. Kliniken für die Grundversorgung, für Notfälle und für grundlegende chirurgische Eingriffe. Kliniken für die Regel- und Schwerpunktversorgung zum anderen mit weiteren Leistungen und schließlich auch die Unikliniken für die Maximalversorgung. Wie sinnvoll ist das?
Rümmelin: Das muss man sehr differenziert betrachten. Das ist jetzt ja auch ein Modell, das der bereits gültigen Notfallversorgung entnommen ist. Daran lehnt sich jetzt diese Komponente der Versorgungsstufen, die heute vorgestellt wurde, an, übernimmt auch diese Dreistufigkeit, die wir schon aus der Notfallversorgung kennen. Also diese Denke ist uns bereits bekannt, in einem ganz spezifischen Versorgungssegment.
Jetzt soll das auf die gesamte Krankenhausversorgung und die gesamte Krankenhausstruktur in ganz Deutschland gelegt werden. Ob das jetzt flächendeckend, bundeseinheitlich so viel Sinn macht, das muss man sehen. Wenn die Länder dann auch in die Diskussion mit einbezogen wurden, weil es sehr, sehr wichtig ist, dass die regionalen Versorgungsbedarfe und regionalen Versorgungssituationen in den einzelnen Bundesländern genau dort abgebildet werden. Und das müssen die Versorgungsstufen dann auch beinhalten in Zukunft. Das zeigt das Modell jetzt noch nicht so ganz differenziert. Das gilt es abzuwarten.
DOMRADIO.DE: Karl Lauterbach will auch sicherstellen, dass nur solche Kliniken bestimmte Behandlungen abrechnen können, die sich da auch wirklich auskennen und ausreichend dafür ausgestattet sind. Würden Sie sagen, das ist realistisch?
Rümmelin: Da bin ich wieder ganz klar mit dem Blick in der Region, in der Lebenswelt und in der Versorgungssituation der Menschen vor Ort. Das muss man sich anschauen. Die Versorgungssituation in Berlin ist eine andere als in der Eifel oder auf der Schwäbischen Alb. Deshalb muss man sich da aus Ländersicht und aus Sicht der Region ganz genau folgende Dinge anschauen: welche Versorgungsbedarfe, welche demografische Bevölkerungsstruktur, welche Krankheitsbilder habe ich im Gros zu versorgen und welche Leistungen muss ich in dieser Region dann anbieten? Und dann geht man in die Definition dieser Leistungsgruppen, die jetzt durch das Konzept auch vorgeschlagen werden und schaut sich das auf Landesebene ganz genau an.
Es ist sinnvoll zu unterscheiden zwischen Versorgungsstufen und Leistungsgruppen, aber immer im Lichte der Versorgungssituation vor Ort. Und wenn ich in einer Region nicht mehr viele Geburten habe, dann kann ich das nicht mehr an jedem Krankenhausstandort anbieten. Das ist völlig logisch. So muss ich in den Regionen dann auch schauen, wo konzentriere ich sinnvoll für die Bevölkerung in Zukunft die Krankenhausleistungen?
DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie ja vor allen Dingen auch zuständig für die katholischen Krankenhäuser. Gibt es da noch einen besonderen Blick speziell der katholischen Kliniken auf die Pläne aus dem Gesundheitsministerium?
Rümmelin: Ich würde sagen, es gibt nicht einen speziellen katholischen Blick, aber es gibt den speziellen Blick der konfessionellen Träger, die in ihrer Historie sehr stark darin gewachsen und entstanden sind, dass sie eben durch die frei gemeinnützige Trägerschaft eine Gemeinwohlorientierung in der Krankenhausversorgung sehr hochhalten. Und dass wir schon immer im Lichte der Daseinsvorsorge darauf aufmerksam gemacht haben, dass wir eine Änderung der Finanzierungssystematik hin zu dieser Vorhaltung, der Kostenfinanzierung brauchen. Das ist ganz dringend notwendig, um eben auch Häuser zu stärken, die in Regionen liegen, die nicht durch diese Menge an Leistungserbringung und an Fallpauschalen, um die ja die Abrechnung ihren großen Einsatz bringen können, sondern die eben auch in strukturschwachen Regionen liegen, wo sie Vorhaltungen haben, wenn Patienten Regel und Grundversorgung nachfragen und Notfallversorgung sicherzustellen ist auch in der Fläche. Deshalb ist es uns ganz wichtig, dass diese Vorhaltefinanzierung gut ausgestaltet wird. Da war uns heute die Mitteilung der Regierungskommission sehr nahe in ihren Inhalten.
Das Interview führte Elena Hong.