Katholiken und Protestanten unterscheiden sich aus Sicht der Sprachforscherin Anna-Maria Balbach in ihrer Art, über ihren Glauben zu reden. Katholiken nutzten etwa viel häufiger das Pronomen "mein" oder "meine", wenn sie über Gott und die Kirche sprächen, sagte Balbach im Interview des Portals katholisch.de am Donnerstag. Dadurch entstünden ein persönlicheres Gottesbild und eine größere Bindung an die Kirche. Protestanten hingegen zitierten häufiger aus der Bibel und zeigten dadurch ein distanzierteres Gottes- und Kirchenbild.
Die Forscherin hat nach eigenen Angaben mit ihrem Team Radiopredigten im Westdeutschen Rundfunk in der Sendung "Kirche in EinsLive" analysiert. Rund 3.000 Radiopredigten aus fast zehn Jahren wurden demnach ausgewertet, etwa die Hälfte davon sei von katholischen, die andere Hälfte von evangelischen Autorinnen und Autoren geschrieben worden. "Die konfessionellen Unterschiede fangen schon bei den Themen an: Es gibt typisch katholische Themen und eher protestantische. Oder auch wie ein Thema angegangen wird, kann die Konfession verraten", erklärte Balbach.
So widmeten sich katholische Autoren oft aktuellen gesellschaftlichen Themen und seien dabei sehr kritisch, "besonders, wenn es um die Kirche geht", erklärte Balbach. Die Krisen der Kirche, über die oft medial berichtet werde, gingen diesen Menschen sichtlich nahe. Zudem entstehe daraus ein Rechtfertigungsdruck. "Wir haben sprachliche Hinweise, dass das Sprechen darüber oft auch ein Ventil ist. Ich kenne auch viele Katholiken, die sich immer mehr rechtfertigen, katholisch zu sein", sagte die Wissenschaftlerin. "Und noch etwas: Katholiken sprechen im Radio generell persönlicher."
In evangelischen Radiopredigten werde hingegen nur selten über gesellschafts- oder kirchenkritische Themen gesprochen. "Hier stehen eher typisch religiöse Themen rund um die Bibel und ihre Auslegung für den Alltag im Fokus. Dadurch beinhalten die Beiträge dann oft weniger Persönliches." (kna)