Nur wenige Mediziner können von sich behaupten, dass sie Erfahrung in der Sterbebegleitung eines Papstes haben. Professor Patrizio Polisca (69) ist einer von ihnen. Er gehörte bereits im Frühjahr 2005 zu dem Mediziner-Team, das den polnischen Papst Johannes Paul II. während der letzten Wochen seines Lebens und in seinem dramatischen Sterben begleitete.
Zwar war er in der Todesstunde nicht dabei, doch erzählte er später in einem Interview der Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano", wie er dem sterbenden Papst, der schon nicht mehr bei Bewusstsein war, am letzten Tag seines Lebens zum Abschied die Stirn geküsst habe.
Der Lebensretter von Johannes Paul II.
Es war das Ende einer langen Bekanntschaft. Die beiden waren einander zum ersten Mal 1987 in Castel Gandolfo begegnet, als der damals noch junge Mediziner Polisca die Rolle des "diensthabenden Arztes" in der päpstlichen Sommerresidenz übernommen hatte. 1994 stieg er dann auf Vorschlag des "ewigen" päpstlichen Leibarztes Renato Buzzonetti (er amtierte von 1978 bis 2009) in der Mediziner-Hierarchie des Vatikans auf.
Ab 1997 begleitete Polisca zusammen mit Buzzonetti den stark von einer Parkinson-Erkrankung beeinträchtigten Pontifex auf zahlreichen Auslandsreisen. Bei einer seiner letzten Reisen, die ihn 2003 in die Slowakei führten, hatte der Papst bei der Rückkehr in die Apostolische Nuntiatur eine schwere Schmerzattacke, die in der Folge beinahe zu einem Atemstillstand führte. Polisca, der als Intensivmediziner auch auf Reanimation spezialisiert ist, rettete ihm in dieser Situation das Leben. Als Wojtyla zwei Jahre später in der Woche nach Ostern starb, verbrachte Polisca die letzten beiden Nächte vor dessen Tod an seinem Sterbebett.
Als Arzt beim Konklave
Drei Wochen später war er einer der beiden Ärzte, die beim Konklave in der Sixtinischen Kappelle zur medizinischen Betreuung der Kardinäle dabei waren. Der Ruf "Extra Omnes!", mit dem alle anderen des Raumes verwiesen werden, gilt weder für die Beichtväter noch für die Ärzte, die ein Konklave begleiten.
Deshalb gehörte Polisca zu den allerersten, die der frisch gewählte Papst Benedikt XVI. begrüßte. Die beiden kannten sich bereits seit Anfang der 1990er Jahre, als Joseph Ratzinger die Leitung der Römischen Glaubenskongregation übernommen hatte. Damals sprachen sie über den Kirchenlehrer Bonaventura, und der frisch gewählte Papst erinnerte sich am Tag seiner Wahl noch daran.
Gläubiger Katholik und Gutachter für Heiligsprechungen
Benedikt machte Polisca 2010 zum Leiter des vatikanischen Gesundheitsdienstes und damit zugleich zu seinem Leibarzt. Das blieb er bis 2015. Anders als sein Vorgänger Buzzonetti wurde Polisca nach rund fünf Jahren von Papst Franziskus von der Spitze des vatikanischen Gesundheitsdienstes abberufen. Seither hat der regierende Papst einen anderen Leibarzt als sein Vorgänger.
Im Vatikan ist Professor Polisca jetzt nur noch für die medizinische Betreuung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zuständig. Im Hauptberuf praktiziert Polisca als Kardiologe in Rom, zudem lehrt er an der römischen Universität Tor Vergata.
Der aus dem Dorf Petriano in der Region Marken stammende Mediziner hat sich in öffentlichen Äußerungen stets als gläubiger Katholik gezeigt. Zu seinen vielen Nebentätigkeiten gehörte lange Zeit auch die eines medizinischen Gutachters für die vatikanische Heiligsprechungs-Behörde. Dort war es seine Aufgabe, Heilungs-Wunder zu beurteilen, die ohne medizinisches Eingreifen zustande kamen.