Benedikt liegt aufgebahrt in seinem Schlafzimmer. Im Halbkreis um den Gestorbenen sitzen die Bewohner von Mater Ecclesiae. Dort, im Kloster in den Vatikanischen Gärten, hatte der emeritierte Papst seit seinem Amtsverzicht 2013 gelebt, mit dem treuen Begleiter und Privatsekretär Georg Gänswein sowie vier Frauen einer katholischen Laienvereinigung. Sie alle beten nun, am Silvestertag, an dem Benedikt XVI. im Alter von 95 Jahren gestorben ist. Wie aus dem Kloster zu hören ist, wirkt Benedikt, als ob er nur ruhen würde.
"Er ist, wie man so sagt, entschlafen", sagt einer der Anwesenden in dem Raum der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. Man hört Erleichterung heraus aus diesen Worten. Auch Benedikt wirke jetzt sehr friedvoll.
Touristen bekommen wenig mit
Draußen, außerhalb der Vatikanischen Mauern, herrscht in Rom und auch auf dem Petersplatz indes reges Silvester-Treiben. Die Touristen kriegen teilweise gar nicht mit, dass Benedikt gestorben ist. Weder läuten die Glocken des Petersdoms, wie sie es eigentlich tun, wenn ein noch amtierenden Papst stirbt, noch werden die Tore der wichtigsten Basilika für die Katholiken als Zeichen geschlossen. Erst am Nachmittag räumen Ordnungskräfte den Petersplatz für die Besucher. Das aber liegt an der abendlichen Vesper, nicht an Benedikt.
"Wie, er ist tot?", fragt eine Besucherin aus Bayern, als sie von einer Reporterin auf die Neuigkeit angesprochen wird. Die Nachricht, dass Benedikt um 9.34 Uhr gestorben ist, dringt nur langsam durch. Am Abend hat jemand ein Bild des emeritierten Papstes an einen Poller vor dem Platz geheftet, zwei Kerzen stehen davor auf dem Boden.
"Wir haben die Nachricht gehört, und weil wir eben in Rom sind, dachten wir, wir gehen mal auf den Petersplatz und gucken, was da so los ist", erzählt ein deutscher Tourist. "Wir hatten uns auch, ich sag mal, mehr erwartet. Hier ist ja jetzt eigentlich ganz normales Alltagstreiben, und ich würde behaupten, dass die Hälfte der Menschen, die hier auf dem Platz stehen, gar nicht mitbekommen haben, was überhaupt passiert ist." Eine junge Frau meint: "Es war halt unser deutscher Papst. Ich war zwölf Jahre alt, als er zurückgetreten ist. Ich hatte da noch nicht so viel damit am Hut."
Seit 2013 und dem freiwilligen Rücktritt war Benedikt XVI. nur noch Papa Emeritus; neben seinem charismatischen Nachfolger Franziskus geriet der gebürtige Bayer für manche etwas in Vergessenheit.
Franziskus gedenkt Benedikt
Nun, am letzten Tag des Jahres 2022, erinnern sich wieder viele an den, der eigentlich nicht Papst werden wollte. Für Franziskus war Benedikt eine "so edle, so sanfte Person". Er sei dankbar, dass Gott der Kirche den Mann aus Deutschland geschenkt habe. Und er danke Benedikt "für all das Gute, das er vollbracht hat, und vor allem für sein Zeugnis des Glaubens und des Gebets, besonders in diesen letzten Jahren, als er zurückgezogen lebte", sagt der Papst am Abend.
Deutsche Bischöfe erinnern an "großen Papst"
Auch in Deutschland denken viele an Benedikt. Am Reichstagsgebäude in Berlin wehen die Flaggen auf halbmast. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobt: "Die Einheit der Christenheit und der Dialog der Religionen, das Miteinander von Religion und Gesellschaft lagen ihm besonders am Herzen." Münchens Erzbischof Kardinal Reinhard Marx sagt: "Benedikt XVI. war ein großer Papst, der sein Hirtenamt stets mit Freimut und starkem Glauben ausübte."
Im Kölner Dom versammelt sich Kardinal Rainer Maria Woelki mit dem Domkapitel zum Totengebet. Dompropst Guido Assmann erinnert an den Besuch Benedikts beim Weltjugendtag 2005, kurz nach der Wahl zum Papst. "Man konnte gut beobachten, wie der bescheidene Papst sich den Jugendlichen immer mehr zuwandte und sich in ihrer Mitte in Köln wohlfühlte." Das Erlebnis in Köln soll Benedikt geradezu beflügelt haben. So jedenfalls hat es sein Privatsekretär Gänswein immer erzählt.
Anders als in der Petersbasilika in Rom hat im Südturm des Kölner Doms der "Dicke Pitter" - die Petersglocke - geläutet an diesem Tag. Der dumpfe Ton von 24 Tonnen Bronze konnte am Vormittag nur eines bedeuten: Benedikt ist tot. Während des Totengebets ist der Dom gut gefüllt, allerdings sind viele der Anwesenden keine Gläubigen, sondern Touristen. Es wuselt von Menschen. Überall wird gefilmt.
"Rest in Peace Papa"
Im Querhaus des Doms liegt ein Kondolenzbuch aus. Davor steht ein schwarz gerahmtes Bild von Benedikt mit einer weißen Rose daneben. Nach Woelki tragen sich auch viele Besucher ein. "Bitte für uns Benedikt!", steht da, "Vergelt's Gott" und "Rest in Peace Papa".
In oberbayerischen Marktl am Inn öffnet das Geburtshaus Benedikts am Samstag außerplanmäßig. In dem Zimmer, in dem Joseph Ratzinger am 16. April 1927 zur Welt kam, brennen Kerzen. Eine weiße Rose steht auf einem schwarzen Tuch. Im Foyer liegt ein Kondolenzbuch aus. Bis zum frühen Nachmittag kommen nur wenige Besucher.
Auf dem Marktplatz zünden Gläubige Kerzen an, wie Franz Haringer erzählt, der theologische Leiter des Geburtshauses. "Am meisten behalte ich seine Fähigkeit in Erinnerung, den Glauben in einfachen und klaren Worten auszudrücken - und auch sein Lebensthema: Glaube und Denken, Glaube und Vernunft: Ich muss als Gläubiger nicht das Denken ausschalten», sagt Haringer. Zugleich sei es «vernünftig, mit Gott zu rechnen".
Benedikt war in Rom im hohen Alter schon lange bereit, zum Schöpfer zurückzukehren. Am Ende wurde er immer schwächer, schon am Mittwoch wurde ihm das Sakrament der Krankensalbung gespendet. Einer, der ihm nahe stand, sagt: "Er war ein bayerischer Gentleman."