Während das Kirchenjahr in Rom in den Tagen nach dem Papstbegräbnis mit dem Hochfest Epiphanie und Fest der Taufe des Herrn wieder in gewohnten Bahnen verläuft, richtet sich die Aufmerksamkeit der Vatikanbeobachter auf den Rupnik-Skandal, der noch bis zum Tag vor Heiligabend für Schlagzeilen sorgte.
Interviews im Dezember
Die italienische Tageszeitung "Domani" hatte bereits lange vorab angekündigt, dass sie am 6. Januar, wenn viele Italiener aus den Winterferien zurückkehren, ein Sonderheft an die Kioske bringen wollte, in dem neue Details zu dem Fall ans Tageslicht kommen sollten.
Einige der Ordensfrauen, die sich als Opfer des slowenischen Jesuiten sehen, haben bereits im Dezember in Interviews oder Briefen ihre Leidensgeschichten geschildert. Dabei wurde deutlich, dass sie trotz Briefen und Beschwerden an kirchliche Vorgesetzte kein Gehör fanden und dass der charismatische Pater in seinem Orden, aber auch im Bistum Rom und im Vatikan immer wieder geschützt wurde.
Kritik an den Medien
Am Vorabend von Heiligabend sah sich der Stellvertreter des Papstes für das Bistum Rom, Kardinal Angelo De Donatis, so unter Druck, dass er ein langes Kommunique zum Rupnik-Skandal veröffentlichte. Darin beschuldigte er die Medien, das Gottesvolk durch Berichte über diesen Skandal zu verwirren und wandte sich gegen eine Vorverurteilung Rupniks.
Zugleich kündigte De Donatis in dem Schreiben Maßnahmen an. Er schrieb, man werde "wahrscheinlich" auch Schritte gegen die Tätigkeit Rupniks als Seelsorger in Rom (dort ist ihm eine kleine Kirche in der Nähe des Kolosseums unterstellt) und bezüglich des "Centro Aletti" unternehmen.
Das "Aletti" ist sowohl Mosaik-Werkstat wie auch geistliches Zentrum. Auch Rupniks Sitz in kirchlichen Gremien werde man überprüfen. An mehreren Stellen seiner Erklärung deutete De Donatis an, dass der Papst (einmal als Bischof von Rom und ein anderes Mal als die "höhere Autorität") mit dem Fall befasst sei.
Am Ende schreibt er: "Vertrauen wir dies alles der Barmherzigkeit Gottes an und der klugen Unterscheidung dessen, der berufen ist, Entscheidungen über die betroffenen Personen zu treffen."
Franziskus mehrfach betroffen
Papst Franziskus ist gleich mehrfach von dem Fall tangiert. Zum einen als Bischof von Rom, weil das von Rupnik lange geführte "Centro Aletti" seit 2019 eine Einrichtung des Bistums Rom ist. Mit seinen beachtlichen Einnahmen – rund 150 Kirchen haben Rupnik und seine Mitarbeiter mit Mosaiken ausgestaltet – stellt das Zentrum auch einen wirtschaftlichen Faktor für das Bistum dar.
Zum anderen ist Franziskus als Jesuit mit betroffen. Der mit ihm eng befreundete Ordensobere der Jesuiten, Arturo Sosa, ließ die Sache lange schleifen, griff nicht entschieden genug gegen seinen prominenten Mitbruder durch und verwickelte sich dann auch noch in widersprüchliche Mitteilungen an die Medien. Aber auch als Kirchenoberhaupt ist der Papst involviert.
Große Straftat laut Kirchenrecht begangen
Inzwischen räumten die Jesuiten ein, dass Rupnik im Mai 2020 nach drei Jahren Ermittlungen und kirchenrechtlichen Verfahren per Dekret der Römischen Glaubenskongregation exkommuniziert worden war. Er hatte eine der Frauen, die er verführt hatte, in der Beichte von der mit ihm begangenen fleischlichen Sünde losgesprochen – und damit eine der schlimmsten Straftaten nach dem Kirchenrecht begangen.
Noch im selben Monat wurde die Exkommunikation wieder aufgehoben, weil der Täter gestanden und bereut hatte. Ob und wie der Papst mit diesen Entscheidungen befasst war, ist ungewiss. Zwei Monate vor der Exkommunikation hatte Rupnik im Vatikan noch die Fastenpredigten an die Kurie (einschließlich Papst Franziskus) gehalten.
Reaktion auf Konflikte?
Fest steht, dass bislang nur zwei der drei betroffenen kirchlichen Institutionen sich zum Fall Rupnik geäußert haben: der Jesuitenorden und das Bistum Rom. Der Vatikan schweigt beharrlich – sieht man einmal ab von einigen Ansprachen des Papstes in den Tagen vor dem Tod von Benedikt XVI., in denen er eindringlich für Frieden "in den Familien, in den Pfarreien und in den Bewegungen und Vereinigungen" warb.
Manche Beobachter sahen darin eine Reaktion auf die teilweise heftigen Konflikte im Bistum Rom, die der Fall Rupnik ausgelöst hat und bei dem insbesondere der Kardinalvikar des Papstes für das Bistum, De Donatis, in der Kritik steht. Mit Argusaugen wird nun beobachtet, welche Maßnahmen das Bistum Rom und vielleicht auch der Vatikan gegen Rupnik und das "Centro Aletti" verhängen.
Noch immer wird Rupnik in drei vatikanischen Behörden offiziell als "Consultor" aufgeführt. Und die künstlerische Betätigung in Kirchen ist ihm weiter gestattet - obwohl mindestens einer seiner "Kunden", das französische Bistum Versailles, ihm nach Bekanntwerden der Vorwürfe den Auftrag zur Ausgestaltung einer Kirche entzogen hat.