"Offenkundig waren sie für die Profilierung seines Denkens wichtiger als katholische Theologen", schreibt der evangelische Theologe in einem Gastbeitrag für die Freitagsausgabe der Tageszeitung "Welt" aus dem Verlagshaus Axel-Springer.
Benedikt "arbeitete sich an historisch-kritisch denkenden protestantischen Gelehrten ab, die er als intellektuell überlegen wahrnahm. Aber er wollte sie zugleich metakritisch überwinden."
Entscheidende Begriffe und Denkmuster aufgenommen
Schon die frühen Texte des Theologen Joseph Ratzinger zeigten, dass er neben den großen Kirchenvätern vor allem liberalprotestantische Theologen aus dem Deutschen Kaiserreich gelesen habe, so Graf. Dazu zählten Adolf von Harnack, Ernst Troeltsch sowie der Neutestamentler Rudolf Bultmann. Ratzinger habe von allen entscheidende Begriffe und Denkmuster aufgenommen.
Auch für seine Reden als Papst habe er sich dieser Begriffe bedient und sie umgedeutet, erklärt Graf.
In der vielbeachteten Freiburger Rede aus dem Jahr 2011 entlehnte Benedikt XVI. etwa den Begriff der "Entweltlichung" von Bultmann und deutete sie auf sein zentrales Kirchenverständnis um, "das auf die starke Entgegensetzung von Kirche und Welt fokussiert ist", wie Graf schreibt. Auf dieser Basis habe der Papst eine neue "Entweltlichung" der Kirche gefordert.