Kinder der Domchöre singen Songs für Missbrauchsprävention

"Ein Gespür, was geht und was nicht"

Der Kölner Verein Zartbitter bietet eine Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuelle Übergriffe und Missbrauch. Um Kinder über ihre Rechte aufzuklären, hat der Verein nun acht Songs mit Mitgliedern der Kölner Domchöre produziert.

DOMRADIO.DE: Die Arbeit mit Kindern bei diesem Thema erforderte wahrscheinlich noch einmal mehr Sorgfalt als eh schon. Wie haben sie das gehandhabt?

Domkapellmeister Eberhard Metternich / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domkapellmeister Eberhard Metternich / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Eberhard Metternich (Domkapellmeister und Leiter der Kölner Dommusik): Wir haben die Eltern früh eingebunden. Sie wurden laufend informiert und natürlich gab es auch die Texte vorab. Mich haben die Texte sehr angesprochen. Deshalb habe ich das Projekt absolut unterstützt. Die Texte finde ich sehr sensibel, auch in der Sprache und denke, dass der Inhalt auch Kinder anspricht.

DOMRADIO.DE: Die Songtexte hat der Psychologe und Musiker Ecki Pieper von der Kölner Band "Köbes Underground" geschrieben. Wie lief die Zusammenarbeit ab?

Metternich: Erstmal war das für uns eine tolle Anfrage. In einem ersten Schritt habe ich mich mit Herrn Pieper verständigt, an wen sich die Songs richten sollen. Was für Kinder sind das? Wie alt sind die, etc? Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass möglichst junge Stimmen die Stücke singen sollen.

Herr Sperling für die Mädchen und ich für die Knaben haben dann eine Vorauswahl in den A-Chören getroffen. Das sind unsere Jüngsten, die waren damals noch Grundschüler des vierten Schuljahres. Da die Aufnahmen in den Sommerferien lagen, mussten wir dann hoffen, dass sich genügend freiwillig melden. So kamen wir auf drei Jungs und zwei Mädchen. Es hat wunderbar gepasst.

DOMRADIO.DE: Waren die Kinder über das Singen hinaus an den Songs beteiligt?

Metternich: Ich war selber nur beim allerersten Kennenlernen dabei. Da war noch eine gewisse Scheu da. Aber Ecki Pieper und Dieter Krauthausen vom Tonstudio haben sehr einfühlsam mit den Kindern gearbeitet. Das haben mir die Eltern zurückgemeldet.

Beteiligte Einrichtungen bei Aufarbeitung von Missbrauch

Der Runde Tisch Heimkinder, der die Misshandlungen von Heimkindern in den 60er- und 70er-Jahren aufarbeiten sollte, stand kurz vor dem Abschluss, da beherrschte ein neuer Skandal die Schlagzeilen: 2010 wurden zunächst in kirchlichen, dann aber auch in anderen Einrichtungen immer mehr Fälle von Missbrauch öffentlich. Wieder richtete die Bundesregierung einen Runden Tisch ein. Zudem berief sie einen unabhängigen Beauftragten. In den folgenden Jahren kamen weitere Gremien dazu. Einen kurzer Überblick:

Symbolbild Missbrauch / © 271 EAK MOTO (shutterstock)

Die Kinder wurden im Studio immer gefragt und eingebunden: Wer singt was? Welches Lied hast du lieber? Wer passt eher zu dem und wer eher zu dem anderen Lied?

DOMRADIO.DE: Eines der Musikstücke heißt "Blödes Gefühl". Dort heißt es im Refrain: "Das ist nix, was ich will" und in den Strophen werden Situationen von Missbrauch beschrieben. Warum müssen die Kinder solche Situationen kennen?

Metternich: Das ist wichtig, damit die Kinder sich artikulieren können und auf ihre eigenen Rechte pochen können. Die Kinder brauchen erstmal ein Gespür dafür, was geht und was nicht. Es braucht eine Sensibilisierung, was jemand anderes darf und was nicht. Auf diese Wahrnehmung hin sollen die Kinder gestärkt werden.

DOMRADIO.DE: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Verein Zartbitter?

Metternich: Beim Thema Schutz von Kindern sind wir seit vielen Jahren engagiert und sehr vorsichtig. Sie müssen wissen, dass ein Chor, gerade ein Knabenchor, ein sehr sensibles Gebilde ist.

Im Alltag kann es schnell und immer wieder zu Grenzverletzungen kommen. Sei es zwischen den Kindern oder auch von Erwachsenen gegenüber den Kindern.

Wir haben deshalb schon vor fast 20 Jahren Kontakt zu Zartbitter aufgenommen, um uns beraten zu lassen. Der Verein hat uns dabei geholfen, ein erstes Schutzkonzept zu erstellen.

DOMRADIO.DE: Die Texte und Lieder können auf der Homepage von Zartbitter heruntergeladen werden. Arbeiten sie mit den Songs bei der Präventionsarbeit in der Dommusik?

Metternich: Noch nicht. Die Songs stehen uns auch erst seit November zur Verfügung. Wir arbeiten noch an einem Konzept. Für die Präventionsarbeit mit unseren Grundschulkindern ist die Anwendung aber vorgesehen.

Außerdem machen wir mir den Knaben und Mädchen der Chöre bei Zartbitter ein Workshop, wo wir mit den Kindern einen Kinderrechte-Pakt erarbeitet. Auch da könnten die Stücke bei einer Neuauflage einen Platz finden.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR