DOMRADIO.DE: Sie werden für Ihre Thesen auch beim Synodalen Weg durchaus öfters angegriffen. Warum tun Sie sich das an? Warum bringen Sie Ihre Argumente immer wieder in die Diskussion ein?
Magnus Striet (Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Freiburg): Eine gute, auch produktiv werdende Theologie ist immer auch Angriffsfläche gewesen. Von daher ist das historisch betrachtet nichts Neues, dass Positionen, die nach vorne gehen, angegriffen werden.
Aber das ist nicht der Hauptgrund. Mein Hauptgrund ist der, dass viel zu viele Menschen in dieser Kirche darunter gelitten haben, dass sie einer Moral, einer Theologie folgen sollten, die sie tatsächlich entwürdigt hat. Und deshalb gehe ich weiterhin entschieden nach vorne hin.
DOMRADIO.DE: Der Synodale Weg fordert Reformen und wurde aufgrund der Missbrauchsfälle ins Leben gerufen. Warum reicht es beim Thema Missbrauch nicht aus, das Personal besser zu schulen? Warum braucht es sozusagen einen "Angriff" auf die Dogmen, um nachhaltig den Missbrauch zu bekämpfen?
Striet: Ich würde nicht sagen, dass es einen Angriff auf die Dogmen braucht. Aber wir können sehen, wie bestimmte Lehren der Sexualmoral verheerend gewirkt haben. Das waren Reinheitsideale, die faktisch kein Mensch leben kann.
Und auch nicht von Männern, die sich zu Priestern haben weihen lassen und den Zölibat gelebt haben. Faktisch sind unendlich viele dieser Männer daran gescheitert, mit der tragischen Folge, dass sie Kindern, Jugendlichen, Frauen entsetzliches Leid zugefügt haben. Die Ursachen sind tiefer. Wir müssen die systemischen Gründe aufklären. Und dann geht es eben auch um Theologie.
DOMRADIO.DE: Und dennoch gibt es die Sorge, dass beim Synodalen Weg Hoffnungen auf Reformen geweckt werden, die gar nicht erfüllt werden können, weil die Weltkirche die Stoppschilder aufstellen kann. Wie hoffnungsvoll sind Sie denn überhaupt, dass sich wirklich etwas ändert?
Striet: Sollten weltkirchlich Stoppschilder aufgestellt werden, wird das meines Erachtens in Deutschland dazu führen, dass die Verhältnisse weiter erodieren. Manchmal sage ich auch: die werden anarchisch.
Niemand, der jetzt eine Position vertritt, zum Beispiel Öffnung des Sakramentalen für homosexuelle Paare, wird doch nur deshalb hinter diese Position wieder zurückfallen, weil die Weltkirche sich nicht bewegt. Also von daher: Es gibt keine Chance, als diese Prozesse weiter voranzutreiben und sie werden auf jeden Fall weitergehen, völlig egal, wie lehramtlich entschieden wird.
DOMRADIO.DE: Sie haben an diesem Dienstag an der Uni Bonn mit Prof. Karl-Heinz Menke über den Synodalen Weg diskutiert - viele sind gekommen, aber vor allem ältere Menschen, relativ wenig Studierende. Hat die Kirche den Punkt verpasst, wo sie die jungen Menschen, die Menschen im mittleren Alter erreicht? Ist es dafür schon zu spät?
Striet: Ob es zu spät ist, weiß ich nicht. Aber wir müssen schon beschreiben, dass sehr, sehr viele junge Menschen längst Abstand gewonnen haben, weil sie nicht mehr darauf setzen, dass diese Kirche reformierbar ist. Oder aber sie wandern ab in Kreise, die tatsächlich eher einen klassischen Katholizismus, wenn sie das überhaupt wollen, praktizieren. Aber ob das zukunftsweisend ist, das wage ich doch erheblich zu bezweifeln.
Aber wir müssen tatsächlich beobachten: Die Studierendenzahlen, auch im Fach Theologie, sinken dramatisch. Immer weniger, gerade jüngere Menschen, wollen sich in den Gemeinden engagieren. Wie da noch gegenzusteuern ist, ist eine offene Frage.
Das Interview führte Mathias Peter.