Sozialethiker Emunds sieht Hoffnungszeichen in Davos

Umdenken in der Ökonomie

Beim Weltwirtschaftsforum von Davos sind auch in diesem Jahr wieder die Reichen und Mächtigen der Welt zusammen gekommen. Mit fast 2.700 Menschen nahmen mehr denn je teil. Doch welche Rolle spielt dabei eigentlich Ethik und Moral?

Davos: Das Logo des Weltwirtschaftsforums ist auf einem Fenster des Kongresszentrums abgebildet / © Laurent Gillieron (dpa)
Davos: Das Logo des Weltwirtschaftsforums ist auf einem Fenster des Kongresszentrums abgebildet / © Laurent Gillieron ( dpa )

DOMRADIO.DE: In Davos berät eine kleine Elite über die großen Fragen der Welt. Viele Menschen haben den Eindruck, dass dies in Hinterzimmern geschieht. Andererseits waren auch Leute wie die Klimaaktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer eingeladen. Wie zeitgemäß ist das Weltwirtschaftsforum in Ihren Augen?

Professor Bernhard Emunds / © Harald Oppitz (KNA)
Professor Bernhard Emunds / © Harald Oppitz ( KNA )

Prof. Bernhard Emunds (Sozialethiker und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken / ZdK): Als Theologe findet man es eigentlich immer gut, wenn Menschen miteinander sprechen, wenn sie sich zu verständigen suchen.

Aber tatsächlich ist die Frage, wer dort eigentlich zusammen kommt. Davos ist letztendlich doch nichts anderes als der Club der großen Profiteure des Status Quo. Insofern gilt, dass derjenige, der vom Weltwirtschaftsforum das Abbremsen des Klimawandels oder den Abbau der Armut in der Welt erwartet, letztendlich doch den Bock als Gärtner einstellen möchte.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass Thunberg und ihre Mitstreiterinnen aus Ecuador, aus Uganda und aus Deutschland in diesem Jahr gar nicht Teil des offiziellen Programms des Forums waren, sondern auf einer eigens für sie organisierten Medienkonferenz aufgetreten sind.

DOMRADIO.DE: Kurz vor Beginn des Weltwirtschaftsforums hatte die Nichtregierungsorganisation Oxfam eine Studie zur sozialen Ungerechtigkeit veröffentlicht. Inwieweit spielt die immer weiter wachsende Kluft zwischen extrem armen und extrem reichen Menschen, die da diagnostiziert wurde, eine Rolle in Davos?

Oxfam kritisiert Krisengewinne von Konzernen

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind einer neuen Studie zufolge rund zwei Drittel des weltweiten Vermögenszuwachses auf das reichste Prozent der Weltbevölkerung entfallen. Gleichzeitig lebten einem am Montag in Berlin veröffentlichten Bericht der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam zufolge 1,7 Milliarden Arbeitnehmer in Ländern, in denen die Lohnentwicklung die Inflation nicht ausgleicht.

Oxfam / © Electric Egg (shutterstock)

Emunds: Sie spielt allenfalls eine völlig untergeordnete Rolle. Neben dem Ukraine-Krieg gibt es sicher auch einige wichtige wirtschaftliche Themen, die ausführlich behandelt werden. Dazu gehören die Inflation, die Grenzen staatlicher Ausgabenpolitik oder auch die drohende Fragmentierung der Weltwirtschaft durch die Spannung zwischen China und den USA. Das sind ganz sicher wichtige Themen.

Aber wo ist in diesem Jahr die Kritik an der Abkehr von der Dekarbonisierung unserer Energieversorgung? Wo sind die Probleme, die in vielen Ländern des Südens durch den Anstieg der Nahrungsmittelpreise verursacht werden? Oder wo ist das Problem der steigenden Vermögenskonzentration? Die Studie von Oxfam hat aufgezeigt, dass seit Beginn der Corona-Pandemie wieder zwei Drittel aller Vermögenszuwächse an das reichste eine Prozent der Menschheit gegangen sind.

All diese Fragen tauchen eigentlich nicht richtig auf in Davos.

DOMRADIO.DE: Ein gerechteres Weltwirtschaftssystem wäre ein großes Ziel. Sehen Sie da denn irgendwo konkrete Ansätze in der internationalen Realpolitik?

Emunds: Es ist klar, dass wir von einem nachhaltigen und gerechten Weltwirtschaftssystem Lichtjahre entfernt sind. Aber es gibt vielversprechende Aufbrüche. Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Anm. d. Red.)  bereitet derzeit die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung von Konzernen vor. Klar, der Steuersatz ist mit 15 Prozent zu niedrig und das Kuchenstück, das dann für die ärmeren Länder übrig bleibt, ist mit fünf Prozent auch viel zu klein.

Aber hier gibt es die Abkehr von einer Niedrigststeuerkonkurrenz, also einer Konkurrenz zwischen den Staaten um die niedrigsten Steuern. Das ist hier eingeleitet worden, ähnlich bei der Besteuerung reicher Privatleute.

Da gab es in den letzten Jahren wichtige Schritte. Die Staaten haben zum Beispiel vereinbart, sich wechselseitig über die Guthaben auf den Auslandskonten ihrer Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Da entstehen ganz neue Möglichkeiten der Besteuerung.

Insgesamt gilt damit eigentlich so wie in der Klimapolitik, dass nichts ohne einen angemessenen CO2-Preis in fast allen großen Volkswirtschaften läuft. So läuft in puncto Verteilung oder wenn es darum geht, die Lebensumstände der Armen zu verbessern, nichts ohne höhere Steuern.

Man kann sogar sagen, dass viele Ökonominnen und Ökonomen das so sehen. Das zeichnet sich mehr und mehr ab. Auch das ist irgendwie ein Hoffnungszeichen, dass innerhalb der Ökonomie da ein Umdenken stattfindet.

DOMRADIO.DE: Wie können sich Christinnen und Christen denn in die weltweite Armutsbekämpfung noch stärker einbringen?

Emunds: Erstmal muss man, glaube ich, sagen, dass die kirchlichen Hilfswerke Misereor, Brot für die Welt und andere, wirklich eine erstklassige Arbeit machen. Insofern kann man schon sagen, dass es ein einfacher und hoch effektiver Weg ist, diese Hilfswerke zu unterstützen.

Und diese Hilfswerke bieten zugleich auch Bildungsmaterial. Das heißt, es ist genauso wichtig, sich zu den Themen der Weltinnenpolitik zu bilden, sich zu informieren, was da läuft und vor allem, wo etwas schiefläuft, was wie besser gemacht werden kann. Dann sollte man die unterstützen, die für eine ökologische und soziale Politik eintreten. Ich glaube, das ist mindestens genauso wichtig.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR