DOMRADIO.DE: Sie sind katholischer Unternehmer. Ist Einkaufen am Sonntag für Sie überhaupt vertretbar? Ist das Geschäft oder der Glaube wichtiger?
Prof. Ulrich Hemel (Bundesvorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer/BKU): Es geht nicht nur um Geschäft und Glauben, sondern es geht um eine ganze Reihe von Themen.
Beispielsweise darum, wie wir unser Leben gestalten wollen. Dazu leistet der Glaube einen Beitrag. Dazu leisten aber auch unsere Überzeugungen und unser Lebensstil einen Beitrag.
Die große Frage, ob wir einen gemeinsamen Ruhetag in unserer Gesellschaft brauchen und haben wollen, die stellt sich völlig unabhängig davon.
Ob wir das nun mit religiösen Geboten untermauern wollen oder eben mit säkularen Postulaten? Beides geht. Ich bin davon überzeugt, dass eine Gesellschaft einen gemeinsamen Ruhetag, soweit es möglich ist, brauchen kann.
DOMRADIO.DE: Gibt es einen Unterschied zwischen dem stationären Einkauf und dem Online-Shopping am Sonntag?
Hemel: Das ist genau die große Frage, die auch eine Frage der Gerechtigkeit bemüht. Trotzdem denke ich, dass Menschen darauf angelegt sind, Gemeinsamkeit zu suchen und sich auch in ihren Beziehungen füreinander Zeit zu nehmen.
Deswegen bin ich zurückhaltend bei einer Öffnung des stationären Handels für das Sonntagsshopping.
Es gibt die Möglichkeit, in jeder Kommune darüber zu bestimmen, dass vier Sonntage im Jahr für das Einkaufserlebnis freigehalten werden. Ich denke, das sollte ausreichen.
Wir können das Internet natürlich nicht abschaffen, da gibt es eine gewisse Benachteiligung. Andererseits besitzen stationäre Geschäfte heute meist eine Internetseite.
Es ist auch eine Aufgabe und Verantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher sich zu überlegen, wo sie ihren Cent und ihren Euro lassen. Ob in der eigenen Stadt oder eben weltweit bei Konzernen, die eine entsprechende Politik betreiben.
DOMRADIO.DE: Wenn man sonntags etwas bei Amazon bestellt, wird es noch am selben Tag verschickt. Braucht es stärkere Regeln für den Internethandel, damit es eine Art der Gleichberechtigung zwischen stationärem Handel und dem Internet gibt?
Hemel: Eine Überregulierung ist etwas, unter dem wir gerade in der Wirtschaft sehr, sehr stark leiden. Deswegen bin ich auch hier extrem zurückhaltend.
Aber es ist eine Verantwortung, die wir alle als Verbraucherinnen und Verbraucher haben, sich gut zu überlegen, welche Onlinedienste ich überhaupt beauftrage und dass ich auch nachdenke darüber, welche sozialen Folgen mein Verhalten hat.
Es geht nicht einfach um einen Klick. Es geht auch um das, was dadurch ausgelöst wird, etwa mit Blick auf Kurierfahrer oder auf familienfreundliche Arbeitszeiten.
Da ist auch ein bisschen Eigenverantwortung gefragt. Und die sollten wir als Gesellschaft wahrnehmen wollen und für uns als Personen wahrnehmen können.
DOMRADIO.DE: Früher war die Sonntagsöffnung eher eine Forderung der FDP. Heute kommt es auf kommunaler Ebene auch mancherorts aus der CDU. Gibt es da so eine Art Verlust von Orientierung am christlichen Glauben in der Partei? Oder warum macht sich jetzt auch die CDU dafür stark?
Hemel: Ich glaube, wir sollten eine zu starke Überhöhung des Religiösen in Verbindung mit dem Thema Einkaufen vermeiden.
Es gibt schon von jeher Einkaufsmöglichkeiten an Tankstellen, Flughäfen oder in Bahnhöfen. Das ist ja nun nichts, was völlig neu wäre. Ich halte auch nichts davon, das Religiöse als Joker einzusetzen, wenn es um Arbeitszeiten geht.
Ich meine vielmehr, wir müssen uns Gedanken machen, in welcher Gesellschaft wir leben möchten. Da kann das Religiöse eine gute Rolle spielen.
Es erinnert uns auch daran, dass der siebte Tag letzten Endes als Ruhetag ausgelegt ist. Wir haben nichts davon, wenn in Familien jeder an einem anderen Tag frei hat. Das kann nicht im Sinne einer gelingenden Gesellschaft sein.
Das Interview führte Tim Helssen.