Professor wirbt für Zukunft des Theologiestudiums

"Theologie ist ein Wahnsinnsfach"

Die Studentenzahlen an den Katholischen Theologischen Fakultäten sind in den vergangenen Jahren eingebrochen. Woran das liegt und warum ein Theologiestudium dennoch attraktiv sein kann, erklärt der neue Vorsitzende des Fakultätentags.

Tafel und Kruzifix in einem Hörsaal / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Tafel und Kruzifix in einem Hörsaal / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Liegt es nur an der Kirchenkrise, dass sich weniger junge Menschen für ein Theologiestudium interessieren?

Professor Dirk Ansorge, Vorsitzender des Katholisch-Theologischen Fakultätentages, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in St. Georgen / © Johannes Schröer (DR)
Professor Dirk Ansorge, Vorsitzender des Katholisch-Theologischen Fakultätentages, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in St. Georgen / © Johannes Schröer ( DR )

Prof. Dr. Dirk Ansorge (Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main und neuer Vorsitzender des Katholisch-Theologischen Fakultätentags): Das glaube ich nicht. Ich meine, dass wir insgesamt in unserer Gesellschaft einen großen Umbruch erleben. Religion spielt zunehmend weniger eine Rolle. Das gilt natürlich auch für die Heranwachsenden, für die Kinder. Die Eltern haben im Grunde schon seit Jahrzehnten weniger mit dem Glauben zu tun. Da wird dann auch weniger vermittelt. In den Schulen ist das ähnlich. Und warum soll ich dann Theologie studieren? Das ist eine offene Frage.

DOMRADIO.DE: Sie haben natürlich auch einmal Theologie studiert. Warum haben Sie dieses Studienfach gewählt?

Prof. Dr. Dirk Ansorge (Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main)

"Theologie ist ein Wahnsinnsfach."

Ansorge: Ich fand es extrem spannend. Theologie ist ein Wahnsinnsfach, wo sie ganz viele Facetten erleben können, von der Geschichte über die Philosophie bis zur Philologie. Ich spreche jetzt von der Exegese der Kirchengeschichte. Für mich war der Auslöser für das Studium, wenn ich das biografisch sagen darf, eine Jugendbildungsstätte. Dort war ich in einer Adventstagung zu Gast und habe  einen synoptischen Vergleich der Kindheitsevangelien von Lukas und Matthäus vorgestellt bekommen. Man hat die beiden Texte nebeneinandergestellt und der damalige Leiter hat gezeigt: Da stimmt überhaupt nichts überein mit Ausnahme der Geburt in Bethlehem und der Jungfrauengeburt.

Das fand ich so faszinierend, dass ich dachte, das muss ich studieren.

DOMRADIO.DE: Das heißt, da ist auch ein bisschen das Detektivische gefordert und gefragt, also die Lust daran, das zusammen zu puzzeln. Wie hätte es sein können?

Ansorge: Genau das. Wenn Sie biblische Texte auslegen, können Sie so viele Dinge entdecken. Neue Welten tun sich da auf. Ich habe in Jerusalem studiert. Ich erinnere mich an die Vorlesung von Erich Zenger seinerzeit. Da ging es um den Exodus.

Wenn Sie da die Exodus-Geschichte vergleichen: Einmal steht das Wasser wie eine Wand und einmal kommt der Südwind und treibt es zur Seite. Wieso? Warum steht das so im Text? Wer neugierig ist und das ergründen möchte, der muss das einfach studieren.

DOMRADIO.DE: Ist das nicht manchmal auch frustrierend, dass man sich nur Antworten überlegen kann, wie es sein könnte und dass man nicht wirklich weiß, wie es gewesen ist?

Ansorge: Darum geht es ja eben nicht. Das ist nicht die Geschichte. Das sind keine historischen Berichte, keine Chroniken, sondern die Autoren dieser Texte wollen etwas sagen. Die wollen ihre Erfahrungen mit einem Gott wiedergeben, der für mich auch Bedeutung hat. Das macht es für mich dann auch bedeutsam. Das ist nicht nur Archäologie, die ich da betreibe.

DOMRADIO.DE: Warum kann es trotz oder gerade wegen der Probleme der katholischen Kirche spannend sein, heute Theologie zu studieren?

Prof. Dr. Dirk Ansorge (Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main)

"Man stößt in Welten vor, die ihren Wert haben, ganz unabhängig von aktuellen Herausforderungen."

Ansorge: Ja, weil es genau diese persönliche Bereicherung ist. Man stößt in Welten vor, die ihren Wert haben, ganz unabhängig von aktuellen Herausforderungen. Es öffnet den Blick in eine jahrtausendealte Kulturgeschichte, die auch prägend ist für unsere Zivilisation und für unsere Gesellschaft heute, gerade natürlich in Europa, aber inzwischen weltweit. Das sozusagen in den Tiefenstrukturen dann zu ergründen, das bereichert unheimlich.

DOMRADIO.DE: Wie sind denn die Jobchancen mit einem Theologiestudium? Man kann damit ja nicht nur Priester oder Religionslehrer werden.

Ansorge: Nein, Sie können in die Gemeinde gehen. Sie können als Pastoralreferentin oder Pastoralreferent arbeiten. Sie können auch wie hier im DOMRADIO in den Journalismus gehen. Ich weiß von Theologen und Theologinnen, die im Museumsbereich arbeiten, weil natürlich die Prägung der abendländischen Geschichte weitestgehend auch vom Christentum erfolgt ist. Da gibt es also sehr viele Möglichkeiten, die sie damit machen können, innerhalb und außerhalb der Kirche.

DOMRADIO.DE: Wie könnte das Theologiestudium denn wieder attraktiver werden?

Ansorge: Ich finde das ohnehin sehr attraktiv, super attraktiv. Das muss man bekannt machen, die Möglichkeiten, die das Studium hat. Ich würde da nicht verzweifelt oder angestrengt nach Anknüpfungspunkten suchen. Man muss einfach sagen, was drinsteckt. Dann kann man, denke ich, junge Leute dafür auch begeistern.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Katholische Theologie in Deutschland

Die Theologie gehört zu den ältesten Disziplinen an den Universitäten. In Deutschland gibt es 19 Katholisch-Theologische Fakultäten und Hochschulen, an denen – neben Lehramts- und anderen Studiengängen – das fünfjährige Theologische Vollstudium (meist mit Abschluss Magister Theologie) absolviert werden kann.

Alte Bücher auf der Buchmesse / © Joachim Heinz (KNA)
Alte Bücher auf der Buchmesse / © Joachim Heinz ( KNA )
Quelle:
DR