DOMRADIO.DE: Sie als Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zählen zu der vierköpfigen Delegation aus Deutschland und waren mit in Prag. International gibt es Kritik am deutschen Synodalen Weg. Es gab unter anderem offene Briefe der Bischofskonferenzen aus Polen und Nordeuropa. Und jetzt sind das erste Mal Befürworter und Kritiker in einem Raum gewesen. Wie spannungsvoll war dieses Verhältnis?
Dr. Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Ich würde erst mal sagen, Prag ist der Beleg dafür, dass der deutsche Sonderweg, so wird er vielfach genannt, in Wirklichkeit doch ein Stereotyp, eine Zuschreibung ist. Denn wir haben zu unserer Überraschung doch eine größere Delegation in einer Reihe von Ländern erlebt, die sehr ähnlich denkt wie wir.
Wir haben aber natürlich auch erlebt, dass es eine große Vielfalt gibt, die nicht zu übersehen ist. Glücklicherweise gibt es aber das große Bemühen aller den Weg gemeinsam weiterzugehen. Das ist sicher bemerkenswert und gut.
Die Spannungen, die sich in den Inhalten bezüglich der Wege Richtung Zukunft zeigen, sind aus meiner Sichtnicht nur auf unterschiedliche Antworten auf Glaubensfragen zu sehen. Sie sind auch geprägt und überformt von kulturellen Kontexten, Historie und Einflüssen wie zum Beispiel der Homosexualität, die sichtbar wurde.
DOMRADIO.DE: Sie haben am Mittwoch auch selbst gesprochen und sich unter anderem leidenschaftlich für die Frauenweihe ausgesprochen. Die Kirche könne heute nicht mehr nach Regeln von vor zwei Jahrhunderten funktionieren. Wie kam das bei den Vertretern aus 40 Ländern an?
Stetter-Karp: Es kam sicher unterschiedlich an. Sie nehmen jetzt nur einen Ausschnitt oder die Spitze, aber mir ist wichtig zu sagen, dass ich dafür geworben habe, Frauen nicht abzuspeisen mit einer dualen Anthropologie.
Die Schweizer Delegation, das konnte ich voraussehen, hat Ihr Abschlusskommuniqué, also ihre Kommentierung zu Prag, mit dem Satz beendet: Die Synode soll ein Rendezvous mit der Zukunft sein bei dieser Frauenfrage weiterzugehen. Dem stimme ich von ganzem Herzen zu.
Ich würde aber sagen, die Synode soll auch ein Rendezvous mit der Gegenwart sein. Es ist nicht nur eine Frage der Zukunft, sondern bei dieser Frage geht es auch darum, dass wir schon lange Jahre feststellen, quasi die Diagnose haben, dass es sehr drängende Fragen gibt. Glücklicherweise wurden die Fragen auch identifiziert, eben partout nicht nur von uns, sondern von sehr vielen Delegationen.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie wieder zu Hause. Dabei geht die Tagung eigentlich noch weiter. Die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen bleiben noch bis Sonntag. Es gibt dann zwei Schlussdokumente, eines der kompletten Versammlung, eines der Bischöfe. Kurz gesagt, die Bischöfe haben das letzte Wort. Ärgert Sie das?
Stetter-Karp: Dazu sage ich mal, dass zu der Frage wie das Prozedere war, darüber haben wir jetzt noch nicht gesprochen, dazu gehört denke ich zuerst auch wahrzunehmen, dass die gewählte Methodik des Zuhörens sehr gut war. Wichtig für eine erste Begegnung, für einen ersten Schritt innerhalb einer ersten europäischen Synode.
Aber sie stößt auch an schmerzliche Grenzen, wenn das Plenum am Ende keine einzige Möglichkeit des Diskurses und des Bezuges aufeinander hat. Darunter haben nicht nur wir als Laien gelitten oder manche von uns, sondern auch manche Delegierte, auch aus anderen Nationen, anderer Ortskirchen, es betraf auch die Bischöfe.
Insofern stellt sich die Frage, wie geht es weiter und welchen Schritt braucht es nach dem Zuhören? Wie kommt eine Unterscheidung zustande? Das hat das Abschlussdokument, das wir auch nicht diskutieren konnten, sondern das ein Hören des bereits Gehörten war, das hat es nicht geleistet.
Bischof Bätzing wird einbringen, das ist uns so zugesprochen worden, dass er dafür votiert, nicht noch mal etwas eigenes zu machen, sondern dieses "Protokoll" der Versammlung zu nehmen. Wir werden sehen, wie es ausgeht, denn es gibt sicher auch andere Kräfte. Sie fragen, ob es mich ärgert? Ich nehme es zur Kenntnis, dass es so ist.
DOMRADIO.DE: Jetzt gehen die Ergebnisse nach Rom und werden bei der Bischofssynode diesen und nächsten Herbst diskutiert. Was denken Sie, wird sich ändern? Nach der letzten Synode und einem Votum für verheiratete Priester hat das der Papst trotzdem nicht umgesetzt.
Stetter-Karp: Es bleibt sein Freiraum, seine Entscheidung. So wie Sie eben auf das Recht im Kirchenrecht der Ortskirchen, der deutschen Bischöfe oder der Bischöfe in Europa hingewiesen haben, das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen.
Gleichzeitig bin ich froh darum, dass im öffentlichen Raum jetzt doch deutlich ist, dass andere Delegationen auch die Frage stellen nach der Präsenz und der Beteiligung Betroffener. Das haben wir deutlich zum Ausdruck gebracht.
Sie haben mich jetzt nur auf das Statement zu Frauen angesprochen. Aber es gab weitere Statements aus unserer Delegation und die Frage, wer wird ausgegrenzt bei der Beteiligung und wer wird explizit zugelassen? Es waren viele Gäste eingeladen, niemand weiß, warum, wie viele, woher. Ich nenne jetzt keine einzelnen Organisationen, aber ich glaube, Sie konnten das auch beobachten. Das finde ich schon sehr deutlich.
Es waren auch Gäste vor Ort, die nicht reingelassen wurden. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass es bei einem weiteren Schritt einer synodalen Kirche, dazu haben sich auch wirklich alle bekannt, auch notwendig ist, Betroffene einzuladen und der Fremdprophetie mehr Raum zu lassen. Ich glaube, die Fremdprophetie bleibt die Lücke von Prag.
Das Interview führte Tobias Fricke.