Kunsthistoriker fahndet nach Parallelen in Kunst und Politik

Kabinett ins Kolumba

In der Bundesregierung kracht es. In der Ampel-Koalition läuft immer weniger zusammen. Wie blickt der Chef des Kölner Kolumba Museums, Stefan Kraus, auf den Zoff der Regierung? Kann man da Parallelen zwischen Kunst und Politik ziehen?

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geht neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) / © Michael Kappeler (dpa)
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geht neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) / © Michael Kappeler ( dpa )

DOMRADIO.DE: In der Regierungskoalition ist der Krach nicht mehr zu überhören. Der Ton wird täglich schärfer. Die Ampel funktioniert wenig harmonisch. Als Museumschef wissen Sie - Kunst lebt nicht von Harmoniesoße. Wo entdecken Sie vertraute Parallelen?

Stefan Kraus (Kolumba)

Dr. Stefan Kraus (Direktor des erzbischöflichen Museums Kolumba in Köln): Man kommt in der Sache nur weiter, wenn man andere Ansichten nicht als Störfaktor, sondern als Potential sieht, um die beste Lösung zu finden. Im Austausch der unterschiedlichen Standpunkte darf die persönliche Wertschätzung aber nie in Frage gestellt sein. Das beherzigen wir bei uns im Kolumba Museum. Ich bin mir nicht sicher, ob das in der Politik machbar ist, da wirken vermutlich zu viele andere Kräfte hinein, ganz abgesehen davon, dass der Entscheidungsdruck in diesen Zeiten gewaltig ist.

DOMRADIO.DE: Nach Regierungs-Kunst sieht das, was wir derzeit in Berlin beobachten, ja nicht unbedingt aus. Welches Kunstwerk kommt Ihnen als Kunsthistoriker in den Sinn, wenn Sie an die Rot-Gelb-Grüne Regierung denken?

Kraus: Das ausgestellte "Site Pendulum", eine Klangskulptur von Terry Fox (1943–2008)! Denn dass sich eine in unserem Nordturm schwingende Bleikugel und ein zu zwei Dritteln gefülltes Wasserglas bestens miteinander vertragen, glaubt einem ja auch keiner. Das kann man sich anschauen, und wenn man die Zeit mitbringt, wird man auch wissen, wie man die eigene Mitte wiederfindet.

Stefan Kraus (Kolumba)

DOMRADIO.DE: Wenn Kunst oft spannend ist und Spannungen die Kunst beleben, was empfehlen Sie denn als Kunstexperte für die aktuellen Konflikte am Kabinettstisch? Passen Rot-Grün-und Gelb überhaupt farblich zusammen?

Kraus: Ich empfehle – wie sollte es anders sein – den Besuch in Kolumba. Denn wir bringen Werke miteinander in Kontakt, die man nach vorgegebenen Ordnungen nicht zusammen sehen würde. Was macht eine Thronende Muttergottes von 1170 auf einem Stahltisch von 1987?

Über das Betrachten von Kunst kommen andere Gedanken hinein. Das kann Sichtweisen befördern, die man nicht erwartet hätte. Und überhaupt: Wir kommen ja nicht zu den Gedanken, sie kommen zu uns, dafür muss man durchlässig sein. Deshalb ist Kunst auch immer politisch wirksam, auch wenn sie nicht danach ausschaut. Die Koalitionäre können sich gerne für einen Besuch außerhalb der Öffnungszeiten bei uns anmelden.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.

Kunstmuseum Kolumba

Kolumba ist das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, das 1853 als Diözesanmuseum Köln gegründet wurde. Zweitausend Jahre abendländischer Kultur sind in einem Haus zu erleben. In der Kunst mit Werken der Spätantike bis zur Gegenwart.

Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR