Lateranbasilika

Hauptfassade der Lateranbasilika von Osten her gesehen / © Renata Sedmakova (shutterstock)
Hauptfassade der Lateranbasilika von Osten her gesehen / © Renata Sedmakova ( shutterstock )

Die Lateranbasilika feierte im Jahr 2024 ihr 1.700-jähriges Jubiläum. Dabei ist das angesetzte Weihejahr 324 in keiner Weise historisch belegt, so der Historiker Prof. Dr. Stefan Heid im Interview mit DOMRADIO.DE. Man geht eher davon aus, dass die Kirche schon früher fertig war. Auch der 9. November als Weihetag sei sehr spät greifbar, erst bei Cesare Baronio, und könne daher kaum authentisch sein. Auch sei von der einstigen Vorrangstellung des Gotteshauses nicht mehr viel übrig - leider...

Das am Südrand des antiken Rom gelegene Gotteshaus hat sich unter Kaiser Konstantin zum kulturellen und geistlichen Zentrum der Stadt und darüber hinaus entwickelt. Die Lateranbasilika war der erste, noch dazu enorm große Kirchenraum Roms. Die Kirche war eine kaiserliche Stiftung, von Konstantin gewollt und wohl bald nach 312 in Auftrag gegeben. Die neue Lateranbasilika sollte allen Christen der sieben Stadtregionen Platz bieten.

Sie lag gegenüber dem Kaiserpalast, in dem sicher die Kaisermutter Helena, zuweilen wohl auch Konstantin selbst, residiert hat, wenn er in Rom war. Die Kirche besaß ein großes Baptisterium (Taufhaus), in dem damals alle Christen durch den Bischof und seinen Klerus getauft wurden. Das schuf ein starkes Einheitsbewusstsein.

Dabei war nach Heid die römische Kirche längst vor Konstantin die reichste und am besten organisierte Kirche des Westens, "aber durch Konstantin wurde sie sozusagen noch einmal in eine ganz andere Liga katapultiert". Jetzt konnte der römische Bischof darangehen, nach und nach die ganze Stadt, Latium und ganz Italien zu christianisieren.

Man muss annehmen, dass bei der Laterankirche auch die Residenz des Bischofs von Rom gebaut wurde, zu der natürlich alle Annehmlichkeiten gehörten, die ein Papst braucht: Repräsentationsräume, Gästehotel, Wellnessbereich (Bad, Sauna), Fuhrpark (Pferde, Kutschen) usw.

Die periphere Lage bot, solange der Kaiserpalast noch in Funktion war, einen gewissen Schutz, zum anderen musste eine Art Brücke zur bewohnten Stadt hergestellt werden. Dazu diente seit dem fünften Jahrhundert die Kirche Santa Maria Maggiore auf dem höchsten Hügel Roms, dem Esquilin (wer heute in den angrenzenden Hotels, etwa in der Via Olmata, auf der Dachterrasse steht, kann auf ganz Rom herabschauen).

Dieser Hügel wurde bewusst mit einem Prunkbau, finanziert aus der päpstlichen Schatulle, besetzt, um die päpstliche Stadthoheit zu signalisieren, seit die Kaiser nach Konstantinopel gezogen waren. Die wichtigsten Prozessionen der Päpste in die Stadt bzw. nach Sankt Peter führten über Santa Maria Maggiore. Auch diese Kirche, in der die Krippenreliquie aufbewahrt wurde, war sehr geräumig, weil am Weihnachtsfest im Prinzip alle Christen Roms darin Platz finden sollten.

Santa Maria Maggiore hatte keinen eigenen Klerus, sondern war eine Satellitenkirche des Laterans, genauso wie die Kirche Santa Croce in Gerusalemme (mit der Kreuzreliquie) und Santo Stefano Rotondo (wohl mit Steinen der Steinigung des Stephanus). Alle drei Kirchen lagen wie Satelliten im Halbkreis um die Lateranbasilika herum und schufen somit einen heiligen Bezirk, der in gewisser Weise in Konkurrenz trat zu den großen Pilgerheiligtümern außerhalb der Stadt: Sankt Peter und Sankt Paul vor den Mauern. 

Laut Historiker Heid kann man annehmen, dass viele römische Synoden in der Kirche getagt haben. Man saß dann wohl vor dem Altar in der sogenannten Schola Cantorum, in der auch der Kathedralklerus das Stundengebet abhielt. Wir wissen von den römischen Synoden der Jahre 499 und 595. Im Mittelalter gab es mehrere sogenannte Laterankonzilien, an denen dann schon bedeutend mehr Kleriker und Bischöfe teilnahmen. Die bedeutendste Synode war sicher das 4. Laterankonzil unter Innozenz III. von 1213 bis 1215 mit etwa 1.500 Teilnehmern.

Der Niedergang setzte schleichend ein. Zunächst einmal war das mittelalterliche Papsttum in gewisser Weise ein Wanderzirkus, wie ja auch die Kaiser von einer Pfalz zur andern gezogen sind. Das war die übliche mobile Art der Herrschaftsausübung. Insofern waren die Päpste oft abwesend. Ferner befindet sich der Lateran in einer ungesunden Lage, so dass es dort im Sommer unerträglich ist. Die Päpste zogen in die höheren Lagen. Schon im 8. Jahrhundert residieren sie zeitweise auf dem Palatin. Wahrscheinlich halten sie sich zu dieser Zeit auch schon bei Santa Maria Maggiore auf.

Der Lateran hatte zudem den Nachteil, militärisch ungünstig zu liegen, direkt an der Stadtmauer. Er war praktisch nicht zu verteidigen, vor allem wenn sich die Stadt Rom selbst gegen den Papst erhob. Päpste haben immer Angst um ihr Leben. Im Falle der Gefahr blieb ihnen nur die Möglichkeit, vom Lateran auf einem Bergkamm nach Quattro Coronati zu fliehen. Diese Kirche ist eine Wehrkirche und hat für die Päpste dieselbe Funktion wie die Engelsburg bei Sankt Peter.

Nach dem "Exil" in Avignon im 14. Jahrhundert war der Lateran schließlich so heruntergekommen, dass die Päpste bald nach Sankt Peter umziehen und dort dauerhaft residieren. Dort im "Borgo" waren sie militärisch sicher. Später dann, als sie die Stadt fest im Griff haben, trauten sie sich sogar, mitten in der Stadt, auf dem Quirinal, zu residieren. Der Lateran spielte ab dann kaum noch eine Rolle.

Seit den Renaissance-Päpsten spielte sich die große Kirchengeschichte an Sankt Peter ab. Der neue Petersdom entscheidet endgültig die jahrhundertelange, zum Teil erbitterte Konkurrenz zwischen dem Lateran und Sankt Peter. Von dem stolzen Wort der Lateranbasilika, die Haupt- und Mutterkirche aller Kirchen der Stadt und des Erdkreises zu sein, bleibt nur eine entfernte Erinnerung. Als Papst Pius XI. im Mai 1933 von der Loggia der Fassade der Lateranbasilika aus die Gläubigen gesegnet hat, war dies womöglich das letzte Mal. 

Eine Vorrangstellung merkt man heute nicht mehr. Fast ist der Lateran zu einem Stiefkind und Klotz am Bein geworden. Große päpstliche Gottesdienste sind dort eine Seltenheit. Der letzte fromme Rest, die große Fronleichnamsprozession vom Lateran nach Santa Maria Maggiore, wurde vom Papst abgeschafft.

Trotzdem sollte man als Rombesucher nicht an ihm vorbeigehen. Das weiträumige Gebiet ist seit den Lateranverträgen exterritoriales Gelände des Vatikans. Leider hat man 1929 nicht die große Wiese vor der Kirche einbezogen, so dass dröhnende Konzerte und Demonstrationen dort stattfinden, die nicht gerade das fromme Gemüt erheben. Auch ist unvorteilhaft, dass wegen des nahen Krankenhauses pausenlos ohrenbetäubende Ambulanzen vorbeifahren.

Im ehemaligen Apostolischen Palast ist heute ein Museum, vor allem aber die Verwaltung der Diözese Rom untergebracht. Man darf nicht vergessen, dass in diesen Räumen (im piano nobile) am 11. Februar 1929 die Lateranverträge unterzeichnet wurden, die den neuen Vatikanstaat geschaffen haben. Neben der Kirche befinden sich die Lateranuniversität und das Diözesanarchiv.

Vielleicht sollte man als Deutscher auch wissen, dass nur wenig entfernt in der Via Torquato Tasso die Folterkammer des SD-Chefs Herbert Kappler war. Dort befindet sich heute das "Museum der Befreiung", das an die deutsche Besetzung Roms 1943/44 erinnert. (DR)

Piazza di San Giovanni in Laterano 4
00184 Rom
Italien