In kaum einem Poesiealbum fehlt wohl das berühmteste Zitat aus dem "Kleinen Prinzen": "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
Bis heute wurde das Buch weltweit in über 260 Sprachen und Dialekte übersetzt – darunter auch ausgestorbene Sprachen; 2010 erschien es auf Latein. Und das Interesse hält an: Jährlich werden weltweit etwa 1,8 Millionen Exemplare verkauft. Es lohnt sich, nicht nur die bekanntesten Sätze zu lesen – auch 80 Jahre nach dem Erscheinen.
Autobiografische Züge
So schreibt Antoine de Saint-Exuperty gleich im ersten Kapitel: "Die großen Leute verstehen nie etwas von selbst, und es ist ermüdend für die Kinder, ihnen immer wieder und wieder alles erklären zu müssen". Der Text trägt darüber hinaus autobiografische Züge.
Der Erzähler, der die Titelfigur nach einer Notlandung in der Sahara trifft, ist Pilot – wie der Autor. Der kleine Prinz unterdessen sehnt sich nach seiner Rose, die er zu spät als solche erkannt hat. Dies wurde vielfach als Symbol für Saint-Exuperys Frau betrachtet, die er in Frankreich zurückgelassen hatte. Der Briefwechsel zwischen den beiden ist soeben erschienen.
Schwierigkeiten sind Thema
Die Erzählung enthält weit mehr als Bonmots. Es geht um Schwierigkeiten, mit denen Menschen immer zu kämpfen hatten: Abschied und verpasste Chancen ebenso wie ganz konkrete Probleme, zum Beispiel die Sucht. Eine Szene schildert das Hamsterrad, in dem sich Süchtige gefangen fühlen: "'Warum trinkst du? – '...Um zu vergessen', antwortete der Säufer. – 'Um was zu vergessen?' – '...dass ich mich schäme' – '...Weshalb schämst du dich?', fragte der kleine Prinz, der den Wunsch hatte, ihm zu helfen. – '...weil ich saufe', endete der Säufer und verschloss sich endgültig in sein Schweigen."
Fasziniert vom Fliegen
Saint-Exupery wurde am 29. Juni 1900 in Lyon geboren. Mit zwölf Jahren wurde er erstmals auf einen Flug mitgenommen und war seither fasziniert vom Fliegen. Die meiste Zeit schrieb der spätere Berufspilot eher nebenher, so 1925 eine Novelle namens "Der Flieger". Im Zweiten Weltkrieg erlebte er den Blitzangriff der Deutschen auf Nordostfrankreich mit und verarbeitete diese Erlebnisse in "Pilot de Guerre" (1942) – in Deutschland landete das Buch rasch auf dem Index.
Erschienen vor 80 Jahren
1942, während seines Exils in New York, entstanden die Zeichnungen und das Manuskript zum Buch "Der kleine Prinz"; die Lithographien waren vor drei Jahren in der Stadtgalerie Altötting zu bewundern. Am 6. April 1943 erschien die Erstausgabe bei Reynal & Hitchcock in New York. Das Buch wuurde gleichzeitig im französischen Original und in englischer Übersetzung veröffentlicht; die erste Ausgabe in Frankreich kam posthum bei Gallimard heraus, 1950 die erste deutsche Übersetzung.
Zukunftsweisend
Neugierig bleiben, das Sehen und Fragen immer wieder neu lernen: In der heutigen, oft als hektisch und reizüberflutet beschriebenen Zeit streben danach viele Menschen. Manche Aussagen des kleinen Prinzen scheinen zukunftsweisender denn je, zum Beispiel: "Wenn man seine Morgentoilette beendet hat, muss man sich ebenso sorgfältig an die Toilette des Planeten machen."
Ein Star der Kultur
Inzwischen ist der kleine Prinz der Star eines eigenen Themenparks im Elsass, ein Asteroid ist nach seinem Heimatstern benannt, ein Sternbild nach ihm selbst. Die Erzählung wurde mehrmals für die Bühne und Verfilmungen adaptiert. Museen und Software-Entwickler widmeten sich dem Stoff, Bands wie Depeche Mode oder Coldplay griffen ihn in Musikvideos auf.
Es gibt Musicals und Opern, Puppentheater- und Ballettfassungen; das neueste Ballett feierte im vergangenen Jahr Premiere in München. Außerdem erschienen immer wieder Fortsetzungen und Hommagen, so 2022 das italienische Buch "Der kleine Prinz kann endlich lächeln".
Der Erfinder erlebte diesen Erfolg nicht mehr mit. Saint-Exupery kehrte von einem Aufklärungsflug im Juli 1944 nicht zurück; ein Suizid des schwer depressiven Schriftstellers wurde ebenso wenig ausgeschlossen wie ein Abschuss oder ein technischer Defekt. Auch sein erfolgreichstes Buch endet traurig, der kleine Prinz verschwindet. Doch seine Botschaft bleibt: Am Ende steht die Bitte des Erzählers an seine Leser, weiter nach dem kleinen Prinzen zu suchen.