DOMRADIO.DE: Was genau passiert denn bei Ihnen am Samstag?
Christopher Paul Campbell (Direktor von "Quo Vadis?"): Wir haben schon von vielen hundert Menschen eine Zusage bekommen, dass sie zu uns kommen werden, die wurden alle von uns ausgelost und können sich hier ein christliches Motiv, einen Fisch oder ein Kreuz als Tattoo stechen lassen. Danach können sie von einem Ordensmann oder einer Ordensfrau einen Tattoo-Segen bekommen und im Anschluss mit uns auch ins Gespräch kommen.
Wahrscheinlich werden viele Menschen leer ausgehen müssen, weil es so viele sind. Für die haben wir noch Rubbeltattoos vorbereitet und da bieten wir eine große Spannbreite und helfen natürlich gerne bei der Auswahl.
DOMRADIO.DE: "Gott offenbarte sich in Namen und Zeichen. Er erlöste uns eingeboren und gezeichnet. So seist du gesegnet. Amen." lautet der Segen auf Deutsch. Was steckt hinter dieser Idee?
Campbell: Immer mehr Menschen finden Zeichen für Ereignisse und Begegnungen, die ihr Leben umgewandelt haben. Ganz praktisch erlebt man das häufiger im Leben, wenn etwas passiert ist. Als Reaktion darauf trägt man eine neue Frisur, oder man kleidet sich ganz anders. So ähnlich ist das auch bei Tätowierungen, man findet ein Motiv, um beispielsweise eine Krankheit zu verarbeiten. Oder es wird ein Kind geboren und man möchte den Namen des Kindes verewigen.
Solche Prozesse drücken unsere Menschlichkeit aus. Ebenso unser Verhältnis als Geschöpf und unser Verhältnis zu Gott, das möchten wir als Kirche mitgestalten. Und deshalb sprechen wir hier von einem pastoralen Konzept, das Tätowierungen einbezieht.
DOMRADIO.DE: Am Vorabend gibt es in der Ruprechtskirche in Wien einen Tattoo-Gottesdienst für tätowierte Menschen, worum geht es dabei?
Campbell: Es geht darum, wie die Menschen aussehen, die in der Kirche ein und ausgehen. Ist es ein "bleiches Allerlei" oder ist es eine Vielfalt von Menschen? Diese Vielfalt wollen wir zelebrieren. Die Menschen verbinden mit ihren Tätowierungen oft ihre Lebensgeschichte. Unser Tätowierer, der am Samstag hier arbeiten wird, beginnt natürlich mit einem Gebet. So, wie in jeder Messe gesegnet wird, segnen wir auch unseren Tätowierer und die Gemeinde. In diesem Geist wollen wir uns dieser Symbolkraft der Tätowierung hingeben.
DOMRADIO.DE: Danach gibt es ein Gespräch über den kontroversen Stellenwert der Tätowierung im Christentum. Inwiefern sind die Sichtweisen überhaupt kontrovers?
Campbell: Na ja, die Tätowierung hat eine ganz alte Tradition im Christentum. Heute ist es so, dass jeder Zweite unter 35 tätowiert ist. Aber natürlich ist nicht jeder Christ tätowiert. Darüber wollen wir sprechen, was bedeutet es, wenn man mit seinem Körper, dem Antlitz und der Ebenbildlichkeit Gottes auf diese Weise umgeht? Mit welchen Zeichen und welchen Bildern möchte man Gott darstellen? Darüber wollen wir nachdenken.
In den Gesprächen wird es um den Prozess gehen, darüber nachzudenken, was Zeichen sind und was speziell christliche Zeichen sind. Was drücken sie über mich aus und was ist mein Körper als etwas, das ich von einer göttlichen Ebenbildlichkeit erhalten habe?
DOMRADIO.DE: Hin und wieder gibt es auch Vorgaben vom Arbeitgeber beispielsweise, dass man gar keine Tattoos haben darf oder sie zumindest während der Arbeitszeit verdecken muss. Inwieweit spielt das auch für Sie eine Rolle?
Campbell: Ein Tattoo ist eine Ausdrucksweise und manchmal sind bestimmte Ausdrucksweisen nicht angemessen. Genau wie in einem Gespräch, da sagt man Dinge auf eine bestimmte Weise, weil sie angemessen sind. Es kann sein, dass in einem bestimmten Rahmen eine Tätowierung angemessener ist oder nicht, auch darüber wollen wir sprechen.
Es soll natürlich auch darum gehen, dass alle Zeichen, mit denen wir uns ausdrücken, etwas Offensives sind. Tattoos sind vielfach tabuisiert, vielleicht auch deswegen, weil sie Menschen in die Augen springen.
DOMRADIO.DE: Sie selber beschäftigen sich schon sehr lange mit dem Thema, sind aber nicht tätowiert. Am Samstag könnte es soweit sein. Welches Motiv wäre es bei Ihnen?
Campbell: Ich glaube, dass ich mir einen Fisch tätowieren lassen würde. Aber es haben sich so viele Leute angemeldet und die sollen natürlich vor mir die Gelegenheit haben.
Das Interview führte Katharina Geiger.