Im lichtdurchfluteten Atelier der Künstlerin Käthe Kollwitz stehen ihr Schreibtisch mitsamt aufgeklapptem Tagebuch, Gegenstände wie eine Druckpresse, ihre Staffelei, ein Spiegel. Ihre berühmten Kohlezeichnungen hängen an der Wand.
Mit viel Liebe zum Detail und großem technischem Aufwand hat das Team des Käthe-Kollwitz-Museums in Köln, das dieses Jahr wegen Bauarbeiten geschlossen ist, mithilfe einer Audio- und Video-Installation einen fiktiven Arbeitsraum der Künstlerin entwickelt. Das 1985 eröffnete Käthe-Kollwitz-Museum besitzt die weltweit umfangreichste Sammlung ihrer Kunst.
Zeitreise in das Leben und Werk
Entwicklerin Christine Bolz und Kunstvermittlerin Kerstin Schubert haben sich an historischen Fotografien und Dokumenten orientiert. Besucherinnen und Besucher können in der neuen Installation eine Zeitreise in das Leben und Werk von Käthe Kollwitz (1867-1945) unternehmen.
Die Installation befindet sich nun im Eingangsbereich des "Raum für Neues", einer Ausstellungsfläche mitsamt Museumsshop, kleiner Bibliothek und Werkstattbereich in einer Kölner Einkaufspassage. Der Raum diene der Vermittlung von Kollwitz' Werk - auch für die nächste Generation, hieß es bei der Vorstellung des Projekts am Mittwoch. Für Kinder und Jugendliche gibt es kreative Workshops.
Spielwiese des Museums
Originale hängen hier nicht, das gäben die Sicherheitslage und die technische Ausstattung des Raumes nicht her, sagt Museumsdirektorin Katharina Koselleck. Doch auch ohne Originalkunst wird hier facettenreich gezeigt, welche zeithistorischen Ereignisse und persönlichen Erfahrungen die Grafikerin, Malerin und Bildhauerin in ihrem Schaffen angetrieben habe - und wie sie technisch vorging.
Koselleck bezeichnet den Raum als Spielwiese. "Wir erreichen hier noch mal ein ganz anderes, auch ausländisches Publikum, und unsere Besucherinnen sind gewissermaßen Testpersonen für neue Ideen." Damit meint sie multimediale Anwendungen wie die interaktive Audio- und Video-Installation, die nach Abschluss der Bauarbeiten weiterhin im Museum gezeigt werden sollen.
Tagebücher aus dem ersten Weltkrieg
Betrachtende können über einen Touchscreen einzelne Ausstattungsgegenstände anwählen - etwa eine Schublade, die sich dann öffnet, oder ein Buch des befreundeten Künstlers Ernst Barlach, durch den Kollwitz zum Holzschnitt kam.
Doch hinter den Gegenständen verbergen sich auch Geschichten, entnommen aus den gut erhaltenen Tagebüchern von Kollwitz. "Es ist wie als ginge man in der Zeit zwischen 1914 und 1921 durch dieses Atelier und sie erzähle es einem persönlich", erklärt Vermittlerin Schubert.
Im ersten Kapitel geht es darum, wie Kollwitz den Ersten Weltkriegs erlebte, und um die Trauer um ihren Sohn Peter, der als 18-jähriger Soldat schon 1914 fiel. Das Team hat zur Vertonung der Einträge, die Besucher über einen Lautsprecher hören, sogar eine Sprecherin gesucht, deren raue Stimme der von Kollwitz ähnlich sein könnte.
Erinnerungen an Kriegsgeschichten
Vieles, worüber die Künstlerin in ihren Tagebüchern schrieb, enthalte zeitkritische Aussagen - und sei immer noch aktuell, so Schubert. "Das ist das Erschreckende und Ergreifende."
Museumsdirektorin Koselleck findet: "Der Kriegszyklus ist 1923 fertig geworden - jetzt haben wir 100 Jahre später und es gibt wieder Mütter, die um ihre Söhne trauern. Und jetzt, wo das wieder näher an uns heran gerückt ist, umso aktueller empfinden wir auch ihr Werk."