DOMRADIO.DE: Berlin: Bunt, laut, säkular. Das ist jetzt nichts, was ich sofort mit Spiritualität oder mit Theologie in Verbindung bringen würde. Was sagen Sie denn macht Berlin zu einem attraktiven Standort für ein theologisches Studienjahr, wie Sie es anbieten?
Kapuzinerpater Ludger Schulte (Theologieprofessor und Vorstand des Campus für Theologie und Spiritualität in Berlin): Also, man wird es nicht glauben. Es ist ein sehr spiritueller Ort. Es gibt hier 200 offiziell anerkannte aktive Religionen. Das ist erst mal ganz seltsam. Und es gibt viele, viele unterschiedliche Nischen und Schlupflöcher. Das ist das eine. Dann gibt es natürlich auch eine Suche und eine Suchbewegung in dieser Gesellschaft. Und es ist eine Metropole, das hat natürlich auch mit Internationalität zu tun. Die katholische Kirche hier in Berlin ist mittlerweile bei 380.000 Katholiken in der Innenstadt. So etwas Konzentriertes gibt es schon fast gar nicht woanders. Das ist noch mal ein eigenes Phänomen, aber das nur am Rande.
DOMRADIO.DE: Und dann bringen Sie in dem theologischen Studienjahr diese Vielfalt in Dialog mit der Theologie. Wie machen Sie das?
Pater Ludger: Uns geht es natürlich nicht nur darum, irgendwelche spirituelle Nischen ausfindig zu machen, sondern es geht darum, sprachfähig zu werden und den Dialog mit Politik, Kultur, Wissenschaft, aber auch mit einer Start Up-Generation zu suchen. Wir haben verschiedene Transformationsprojekte und man kann einer Menge Leute begegnen.
Ich glaube, das Starke an diesem Ort ist, man theoretisiert nicht nur, sondern man kann vor Ort Menschen direkt ins Auge schauen oder kontroverse Diskussionen mit initiieren, um einfach Nachdenklichkeit zu erzeugen. Und das tun wir.
DOMRADIO.DE: Der erste Jahrgang des Studienjahres läuft gerade. Wie sind die Erfahrungen, die Sie bzw. die die Studentinnen und Studenten machen?
Pater Ludger: Ja, sehr gut. Ich höre von den Studierenden, dass sie eigentlich nicht mehr gerne zurückwollen. Das hat aber auch etwas mit anderen Lernformen zu tun. Wir arbeiten natürlich ganz strikt nach den Studien-Modulen, die im Master-Studiengang vorgeschrieben sind, aber man kann das ja nochmal mit unterschiedlichen Lernmethoden und auch Kompetenzen versehen.
Und da gibt es vor allem diese Vielfalt an kulturellen Formen und Begegnungsformen, die das immer wieder auflockern. Man kann hier im sozialen Bereich in Marzahn arbeiten und darauf theologisch reflektieren genauso wie sich an der Humboldt-Universität mit ganz großen Fragen des Islam auseinanderzusetzen und der Frage, wie geht das in einer Gesellschaft. Oder sich mit dem Judentum befassen. Wir sitzen hier direkt in der Mitte, wir haben alles hier direkt vor der Tür, die Humboldt-Universität, Synagoge etc.
DOMRADIO.DE: Also auch da die große Vielfalt. Der Campus für Theologie und Spiritualität hat im Jahr 2019 seinen Betrieb aufgenommen. Wer steckt hinter hinter diesem Campus und was ist die Idee des Ganzen?
Pater Ludger: Dahinter stehen mittlerweile 16 Ordensgemeinschaften. Die sind aufgeteilt in einen Förderverein und einen Trägerverein "Ordensgemeinschaften und geistliche Bewegungen". Und wir haben ein großes Grundziel - im Grunde genommen aus der gelebten Glaubensexistenz der Ordensspiritualitäten und geistlichen Bewegungen: in den Transformationsprozessen der Gesellschaft mit anderen Menschen, die auf der Suche sind, Antworten und Fragen zu stellen. Also beides. Das ist erst mal die Grundbedingung.
Und darum gruppieren sich dann so Projekte wie Leadership, also wie geht Führung und Verantwortung in der Gesellschaft. Da gibt es dann das theologische Studienjahr, da gibt es aber auch einzelne Zertifikatsbereiche, Module, die wir ausgliedern, oder Meisterklassen, wo wir zum Beispiel mit Wim Wenders über Film und Spiritualität zusammen arbeiten. Also es ist relativ bunt und man kann durch die verschiedenen Kontakte auch mit sehr profilierten Personen sprechen.
DOMRADIO.DE: Wenn ich jetzt schon ein paar Jahre oder auch Jahrzehnte mit dem Theologiestudium fertig bin oder ich mich einfach für Religion im urbanen säkularen Kontext interessiere - was würden Sie mir empfehlen, bei Ihnen zu belegen?
Pater Ludger: Wir haben sogenannte "Update-Theologie". Das sind acht Werkwochen, die wir pro Semester erneuern. Und in diesem Werkwochen geht es dann darum, zum Beispiel Politik und Glaube zusammenzubringen. Oder "Living together", Lebensformen und Gemeinschaftsbildung.
Das sind so Themen, die wir haben. Die kann man für drei Tage buchen inklusive einer abendlichen Ringvorlesung, die öffentlich ist. Und dann ist man drei Tage mit einer Gruppe unterwegs, sowohl akademisch als auch in Begegnungsstrukturen.
Das Interview führte Gerald Mayer.