Forscher sehen Zulauf bei konservativen Christen

Corona-Proteste in Frankreich als Einstieg

Insbesondere traditionalistische Katholiken konnten aus Forschersicht von Protesten gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen in Frankreich profitieren. Sie sprachen sich gegen die staatliche Einmischung in Einschränkungen von Messen aus.

Proteste gegen Corona-Maßnahmen in Straßburg, Frankreich am 4. August 2021 / © Dr Wilson Cardozo (shutterstock)
Proteste gegen Corona-Maßnahmen in Straßburg, Frankreich am 4. August 2021 / © Dr Wilson Cardozo ( shutterstock )

Obwohl innerhalb der Kirche eine Minderheit, hätten gerade kleine und militante Gruppierungen durch die Demonstrationen ein "größeres Schaufenster" gehabt und damit gezielt junge Menschen ansprechen können, erklärte der französische Politologe Yann Raison du Cleuziou am Mittwochabend in Paris.

Ein junger Mann mit der Flagge Frankreichs / © Corinne Simon (KNA)
Ein junger Mann mit der Flagge Frankreichs / © Corinne Simon ( KNA )

Der an der Universität Bordeaux lehrende Forscher äußerte sich beim Podium, "Pandemie, Freiheit, Staat. Coronaproteste in Deutschland und Frankreich zwischen sozialen und spirituellen Motiven", das gemeinsam vom Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Universität Münster, dem Deutschen Historischen Institut Paris und dem Pariser Goethe Institut organisiert wurde.

Religiöse Werte wichtiger als Gesundheit

Laut Raison du Cleuziou wandten sich die konservativen Katholiken im Zuge der Proteste gegen traditionelle französische Prinzipien wie die strikte Trennung von Staat und Kirche. Staatliche Einmischung in religiöse Belange, wie etwa die Einschränkung von Messen, wurden abgelehnt.

Die Kritik habe sich aber auch gegen die französischen Bischöfe gerichtet, die den staatlichen Maßnahmen folgeleisteten. "Die Traditionalisten haben das als zu schnellen Gehorsam gegenüber dem Staat wahrgenommen", so Raison du Cleuziou. Insgesamt hätten sie "Religiöse Werte wichtiger als Gesundheit" eingeschätzt.

Unterschied zu deutschen Corona-Protesten

Damit unterschied sich die Motivation der Demonstrationen leicht von denen esoterisch geprägter Gruppen in Deutschland, wie die Basler Soziologin Nadine Frei erläuterte. Die Forscherin hat den Angaben zufolge vor allem Demonstrationen im südwestdeutschen Raum analysiert.

Proteste gegen die Corona-Maßnahmen / © Malte Krudewig (dpa)
Proteste gegen die Corona-Maßnahmen / © Malte Krudewig ( dpa )

Anders als bei den konservativen Katholiken in Frankreich habe es in diesem esoterischen Milieu eine stärkere Romantisierung der Natur gegeben. Dabei standen "natürliche Selbstheilungskräfte gegen die Künstlichkeit der Pharma-Industrie", wobei sich die Vorbehalte insbesondere gegen die Impfung gerichtet hätten.

"Verschwörungstheoretischer Dreh"

Generell seien bei den Demonstrationen weniger existenzielle Gründe als vielmehr ein "pubertäres Freiheitsverständnis" vordergründig gewesen, so die Wissenschaftlerin. Die staatlichen Einschränkungen seien als überflüssig wahrgenommen worden, da Covid-19 aus Sicht der Demonstranten "kein gefährliches Virus" sei.

"Da hat es einen verschwörungstheoretischen Dreh bekommen: Da muss etwas anderes dahinter stecken", erklärte Frei. Maßnahmengegner sahen sich so als "kritische Expertinnen" und "heroische Widerstandskämpferinnen".

Auch Frankreichs Rechtskatholiken votieren radikaler

Die Mehrheit von Frankreichs Katholiken hat - wie die Gesamtbevölkerung - für extreme Parteien gestimmt. Rechtsextreme Kandidaten erreichten unter den Katholiken im ersten Wahlgang insgesamt 40 Prozent, wie eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Ifop für die Zeitung "La Croix" ergab. Zudem erreichte der linksextreme Kandidat Jean-Luc Melenchon unter den praktizierenden Katholiken 14 Prozent der Stimmen. Die Muslime stimmten demnach sogar mit überwältigender Mehrheit für Melenchon.

Französische Flagge vor dem Eiffelturm / © Peter Kneffel (dpa)
Französische Flagge vor dem Eiffelturm / © Peter Kneffel ( dpa )
Quelle:
KNA