Kinderschutzexperte bewertet Vertrauensverlust der Kirche

Kein ethischer Kompass mehr

Nach Ansicht von Pater Hans Zollner hat die katholische Kirche ihre Funktion als ethisch-moralischer Kompass verloren. Die Kirche sei keine wichtige moralische Institution mehr, an der sich die gesamte Gesellschaft orientiere.

Pater Hans Zollner / © Francesco Pistilli (KNA)
Pater Hans Zollner / © Francesco Pistilli ( KNA )

Das sagte der Kinderschutzexperte in einem Interview des in Berlin erscheinenden Magazins "Cicero". Mit dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals habe sie massiv an Vertrauen verloren.

Der Vertrauensverlust hänge aber "nicht nur oder nicht vor allem am Missbrauch selbst", so Zollner weiter. Aber was die Menschen überhaupt nicht akzeptierten und woran sie berechtigterweise die fehlende Glaubwürdigkeit festmachten, sei die systematische Vertuschung von Missbrauch durch Bischöfe, Generalvikare und Personalverantwortliche.

Kein ausschließlich katholisches Problem

Zugleich betonte er, dass es statistisch nicht nachweisbar sei, dass es mehr Missbrauchstäter bei katholischen Priestern oder auch Mitarbeitern der katholischen Kirche gegeben habe als in anderen Institutionen. Für ihn sei deshalb auch die Behauptung unredlich, zölibatäre Lebensweise oder homosexuelles Verhalten im katholischen Klerus habe dazu geführt, dass es mehr Missbrauch durch Priester gebe.

Sexualität ist nicht ausschließlich soziales Konstrukt

Außerdem widerspricht es nach Einschätzung des Kinderschutzexperten dem christlichen Menschenbild, dass Sexualität ausschließlich ein soziales Konstrukt ist. Eine derartige Gender-Vorstellung trage dazu bei, die Körperlichkeit des Menschen völlig unterzubewerten, sagte er. Es sei eben nicht alles offen und frei wählbar.

Zollner schlug eine abgewogene Betrachtungsweise gegen die extrem ideologisch aufgeladenen populistischen Vorstellungen von links oder rechts. Dazu gehöre die Feststellung, dass wohl 99,95 Prozent der Menschen biologisch entweder Mann oder Frau seien. Zollner sagte: "Wir brauchen in der gesellschaftlichen und politischen Debatte wieder eine Position der Mitte." Dafür müsse sich auch diekatholische Kirche einsetzen, so schwer das auch gerade sei.

Quelle:
KNA