KNA: Herr Maradiaga, wie bewerten Sie die jüngste Sperrung von Konten mehrerer katholischer Diözesen in ihrem Heimatland Nicaragua?
Felix Maradiaga: Das ist ein extremer Akt der Aggression und der Verfolgung der Kirche. Das Vorgehen ist auch eine ausdrückliche Bestätigung der wahren Bestrebungen. Die Absicht besteht nämlich darin, die Stimme und sogar die Präsenz einer Institution vollständig auszulöschen, die wegen ihres moralischen Gewichts ein Hindernis für die Pläne der Familie Ortega-Murillo zur Festigung einer dynastischen Diktatur ist.
KNA: Wie sollte der Rest der Welt darauf reagieren?
Maradiaga: Es ist längst an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft zu einer absoluten Ächtung des Regimes übergeht. Wir sollten unsere Solidarität mit der Kirche in Nicaragua bekräftigen und ihr beistehen. So lange, bis alle bürgerlichen, religiösen und politischen Freiheiten in Nicaragua vollständig und unmissverständlich wiederhergestellt sind.
KNA: Was kann denn eine Opposition tun, die im Land verboten ist und sich inzwischen überwiegend im Exil aufhält? Wie kann sie zum Beispiel dem inhaftierten Bischof Rolando Alvarez helfen, der wegen Landesverrats zu 26 Jahren Haft verurteilt wurde?
Maradiaga: Die Opposition in Nicaragua und wir Oppositionelle im Ausland, die ins Exil gezwungen wurden, haben uns zusammengeschlossen. Unsere eindeutige Forderung lautet: sofortige und bedingungslose Freilassung von Bischof Rolando Alvarez. Er wurde verurteilt, weil er von der Kanzel aus in seiner Rolle als Priester eine Botschaft des Friedens, der Gewaltlosigkeit, aber auch der Gerechtigkeit verkündet hat. Die Diktatur fürchtet diese prophetische Stimme von Bischof Alvarez, der als Vertreter der katholischen Kirche zu einem Ende der politischen Verfolgung in Nicaragua aufrief.
KNA: Und wie wollen Sie seine Freilassung erwirken? Es deutet ja zurzeit wenig auf ein Einlenken der Regierung Ortega hin?
Maradiaga: Aus diesem Grund haben wir eine Kampagne ins Leben gerufen, um die internationale Gemeinschaft auf die religiöse Verfolgung in Nicaragua aufmerksam zu machen. Zur Kontensperrung kamen zuletzt noch die Ausweisung von Ordensleuten und die Schließung katholischer Missionsstationen hinzu. Das ist eine sehr ernste Situation.
Das Interview führte Tobias Käufer.