Die rund tausendjährige Geschichte Nürnbergs ist geprägt von Kunst, Handwerk und Gelehrsamkeit. Martin Luther (1483-1546) bezeichnete die mittelfränkische Stadt einmal als "das Auge und Ohr Deutschlands".
Durch den neuen Buchdruck verbreiteten sich seine reformatorischen Ideen auch rasant in Nürnberg, bis heute ein guter Ort für Protestanten: In der Stadt an der Pegnitz findet vom 7. bis zum 11. Juni der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Dazu werden rund 100.000 Teilnehmer erwartet.
Ganze Bandbreite abbilden
2.000 Einzelveranstaltungen an fünf Tagen sollen die ganze Bandbreite von Kirche und Gesellschaft abdecken. Das Programm bestehtlaut Kirchentags-Generalsekretärin Kristin Jahn aus drei Kraftzentren: Spiritualität, Gesellschaftspolitik und Kultur. Erstmals wurden im Programm sogenannte Weiße und Graue Flecken festgelegt. So können aktuelle Ereignisse in das sonst monatelange im Voraus geplante Programm eingehen, so die Veranstalter.
"Jetzt ist die Zeit"
Die Losung lautet "Jetzt ist die Zeit", Worte aus dem Markusevangelium. "Mittlerweile sind wir alle einig, dass wir in besonderen Zeiten leben", erklärte Kirchentagspräsident Thomas de Maizière, früherer CDU-Bundesinnen- und Bundesverteidigungsminister.
Der Kirchentag wolle fragen, was das für Zeiten sind und inwiefern diese Zeiten besonders sind – vor allem mit Blick auf den Krieg, auf Frieden, auf Schöpfung, auf Gerechtigkeit und Demokratie, sagte de Maizière jüngst dem Medienmagazin "Pro". Er wünsche sich, dass die Menschen den Kirchentag als "Schatz" wahrnehmen, den es sonst nicht gibt. "Wir sind so eine Art Lagerfeuer", sagte de Maizière.
Promi-Podium zum Thema Umweltschutz
Umweltschutz soll Kernthema auf dem Kirchentag sein. Im Programm widmen sich mehr als 100 Veranstaltungen unterschiedlichsten Aspekten des Themas Bewahrung der Schöpfung. Erwartet werden Vertreterinnen und Vertreter aus Klimaschutzbewegungen wie Luisa Neubauer oder Vanessa Nakate aus Uganda, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie die Politökonomin Maja Göpel. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Altbundespräsident Joachim Gauck wollen am Samstag auf einem Podium sprechen.
Vergangenheit nicht vergessen
Ausgespart wird nicht die Zeit, in der Nürnberg der Selbstdarstellung des NS-Regimes diente, Stichwort "Stadt der Reichsparteitage" und "Nürnberger Rassegesetze". Nach Kriegsende standen die NS-Hauptkriegsverbrecher hier vor dem internationalen Militärtribunal. Der Aktualität des Antisemitismus widmet sich ein Podium mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sowie dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein.
Präsentes Sicherheitskonzept
Seit rund vier Jahren laufen die organisatorischen Vorbereitungen für den Nürnberger Kirchentag. Man sei "bestens vorbereitet",erklärten die Veranstalter Mitte Mai. Nürnberg sei eine eventerprobte Stadt, sagte Janine Rolfsmeyer, Vorstand Organisation des Kirchentages. Polizeidirektor Andreas Belger vom Polizeipräsidium Mittelfranken betonte: "Wir werden während des Veranstaltungszeitraums sichtbar präsent sein." In enger Abstimmung mit den Behörden soll das Sicherheitskonzept fortlaufend der aktuellen Sicherheitslage angepasst werden. Rund 4.000 Ehrenamtliche des Kirchentages werden am Halstuch mit der Aufschrift 'Ich helfe' erkennbar sein.
Überlegung zum vierten Ökumenischen Kirchentag
Das Protestantenfest steht vor einem Wandlungsprozess. Dieser Ansicht ist Kirchentags-Generalsekretärin Jahn. Die Frage sei, ob der Kirchentag hauptsächlich ein Treffpunkt für Christen sein soll, oder ob man sich mehr für die Gesellschaft öffnen wolle, sagte Jahn im März. Immer wieder gibt es auch Überlegungen für einen vierten Ökumenischen Kirchentag, nach dem ersten 2003 in Berlin, dem zweiten 2010 in München und dem dritten 2021 in Frankfurt am Main.
In den nächsten Jahren feiert man allerdings noch konfessionell getrennt, wenn sich auch die beiden Christentreffen Beobachternzufolge zunehmend angleichen. Die nächsten beiden Deutschen Katholikentage finden 2024 in Erfurt und 2026 in Würzburg statt, die Evangelischen wollen sich 2025 in Hannover und 2027 in Düsseldorf wieder zum Kirchentag treffen.