Die Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche hätten sich meist über zwei Jahre erstreckt, heißt es in dem Bericht einer unabhängigen Kommission, der am Dienstagabend in Pobershau vorgestellt wurde. Es werde von mindestens noch zwei anderen Betroffenen ausgegangen.
Beschuldigter hat bis heute nichts eingeräumt
Ein inzwischen suspendierter Kantor soll sich seinerzeit mehreren Mädchen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren sexuell genähert haben. Eine strafrechtliche Verfolgung nach einer Selbstanzeige des Beschuldigten sei wegen Verjährung eingestellt worden. Der Beschuldigte habe "weder proaktiv noch umfassend von sich aus zur Aufklärung beigetragen", heißt es im Bericht.
Bis heute habe er weder strafbare Handlungen eingeräumt noch Verantwortung übernommen. Stattdessen gebe es zahlreiche Aussagen, in denen er von ihm mutmaßlich verübte Taten bagatellisiere.
Ende 2018 hatte der Vater einer Betroffenen dem Pfarrer der Kirchgemeinde Kühnhaide-Pobershau erstmals von Vorfällen sexualisierter Gewalt berichtet. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens hatte die Fälle im April 2019 öffentlich gemacht.
In dem Bericht gibt die Kommission der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens eine Reihe von Empfehlungen. Dazu zählen eine intensive Aufarbeitung der in der Landeskirche bereits bekannt gewordenen Fälle sexualisierter Gewalt, der Aufbau von regionalen Interventionsteams sowie eine Etablierung unabhängiger Ansprechpersonen.
Landesbischof dankt Betroffenen
Die Kommission bearbeitete die Vorfälle im Auftrag der Landeskirche seit Januar 2022. Sie sollte das Ausmaß feststellen, die Verantwortlichkeiten klären, begünstigende Strukturen aufdecken, Folgen für Betroffene sexualisierter Gewalt aufzeigen und Empfehlungen aussprechen. Dem Gremium gehörten eine Sozialpädagogin, ein Psychotherapeut, eine Traumatherapeutin und ein Rechtsanwalt an.
Sachsens Landesbischof Tobias Bilz dankte den Betroffenen für ihren Mut und ihre Bereitschaft zur Mitwirkung: "Sie haben verhindert, dass wir nur über sie reden, sie haben für Pobershau gedacht und gehandelt, obwohl Sie hier so viel Leid erlebt haben und inzwischen an ganz anderen Orten leben."
In der Beschäftigung mit den Missbrauchsfällen von Pobershau habe die Landeskirche sehr viel gelernt und dieser Lernprozess werde weitergehen: "Ich setze mich persönlich dafür ein, dass die Landeskirche sich den drei Bereichen Prävention, Intervention und Aufarbeitung intensiv widmet und diese stärkt."
Theologische Auseinandersetzung sei wichtig
Weitere Empfehlungen der Kommission sind die Entwicklung einer Leitlinie für Aufarbeitungsprozesse. Intervention, Prävention und Aufarbeitung sollten als jeweils eigenes Aufgabenfeld in einer Fachstelle sexualisierte Gewalt verankert werden, inklusive einer ausreichenden personellen, zeitlichen und materiellen Ausstattung.
Auch eine theologische Auseinandersetzung über den Umgang mit Schuld und Vergebung sei wichtig. Ebenso müsse das Thema sexualisierte Gewalt auch in der Ausbildung von Kirchenmitarbeitenden vorkommen. Nicht zuletzt ist der Kommission eine Anerkennung der Tatsache wichtig, dass sexuelle Gewalt auch heute in Einrichtungen der Landeskirche möglich sei.
Zugleich weist das Gremium darauf hin, dass die Landeskirche seit dem Start der Kommission einiges unternommen habe, um Kinder und Jugendliche besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Die Kirchenleitung habe die Bedeutung des Themas erkannt und unter anderem ein Rahmenschutzkonzept erarbeitet.