"Die Austritte haben nicht nur eine innerkirchliche Folge, sie werden bald auch das gesellschaftspolitische Klima entscheidend bestimmen", sagte Schüller am Donnerstag im Interview mit hr-iNFO.
Der Staat - vor allem die Kommunen und die Bundesländer - hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark auf beide großen Kirchen verlassen, dass sie staatliche Aufgaben übernehmen. Allein in Hessen zahlen beide Kirchen laut Schüller 10 bis 15 Prozent aus ihren gesamten Kirchensteuereinnahmen, um die Defizite bei der Kita-Finanzierung auszugleichen.
Dramatische Rückgabe von Einrichtungen
"Und da werden sie jetzt aussteigen", prognostizierte Schüller. "Wir werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine dramatische Rückgabe von Einrichtungen an die Kommunen und Länder erleben." Die Folge: Der Normalbürger - der derzeit vielleicht die Kirchenaustritte begrüße - werde dies dann mit Gebührenerhöhungen und Steuererhöhungen ausgleichen müssen.
Schüller ist Professor für Kirchenrecht an der Universität Münster. Bundesweit sind im vergangenen Jahr so viele Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten wie nie zuvor. 522.821 Menschen kehrten der Kirche den Rücken, wie aus der von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Statistik hervorgeht. 2021 waren 359.338 Menschen ausgetreten - seinerzeit ebenfalls ein Rekordwert.