Papst Franziskus ernannte den früheren Rektor der Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien und jetzigen Leiter des Erzbistums La Plata am Samstag zum Nachfolger von Kardinal Luis Ladaria Ferrer (79), der den Posten seit 2017 innehatte.
Das sogenannte Dikasterium für die Glaubenslehre entscheidet über Lehrfragen der katholischen Kirche und ist eine der wichtigsten Behörden der römischen Kurie. Auch kirchliche Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker sind dort angesiedelt.
Fernandez tritt sein Amt als Glaubenspräfekt laut vatikanischer Mitteilung nach der Sommerpause Mitte September an. Er wird zugleich Präsident der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologenkommission, zweier wichtiger Beratungsgremien.
Theologische Nähe zum Papst
Der am 18. Juli 1962 geborene Fernandez schrieb oder entwarf in der Vergangenheit als Ghostwriter viele Reden und Texte des amtierenden Papstes. Beide stehen sich theologisch nahe. Nach der Priesterweihe 1986 spezialisierte Fernandez sich an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom in Bibelwissenschaften und erwarb einen Doktortitel an der Katholischen Universität von Argentinien mit einer Arbeit über das Verhältnis von Wissen und Leben bei dem mittelalterlichen Kirchenlehrer Bonaventura.
Berater der Argentinischen Bischofskonferenz
Nach Jahren als Hochschuldozent in seinem Heimatbistum Rio Cuarto und an der Katholischen Universität in Buenos Aires wurde Fernandez 2007 in die Vollversammlung des Rates der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik (CELAM) in Aparecida berufen. Bei dieser wegweisenden Kirchenversammlung diente er als theologischer Berater der Argentinischen Bischofskonferenz und war unter Kardinal Jorge Mario Bergoglio an der Abfassung des Schlussdokuments beteiligt.
Seit 2009 Rektor der Katholischen Universität von Argentinien, wurde Fernandez wenige Wochen nach der Wahl Bergoglios zum Papst im Juni 2013 zum Erzbischof ernannt; sein Brustkreuz, Zeichen der Amtswürde, ist ein Geschenk von Franziskus. Entgegen Erwartungen, die Fernandez auf einem einflussreichen Kurienposten in Rom sahen, berief der Papst ihn 2018 an die Spitze der Erzdiözese La Plata, die als zweitwichtigstes Bistum Argentiniens gilt.
Umfangreiche Publikationen
Die Liste der Publikationen von Fernandez umfasst mehr als 300 Titel. Der inhaltliche Schwerpunkt der Bücher und Artikel liegt auf biblischen Themen und Glaubensunterweisung; weitere Felder sind soziale Fragen und der Dialog zwischen Theologie und Kultur.
Es ist unüblich, dass der Papst eine Personalentscheidung wie die vom Samstag mit einem veröffentlichten Brief flankiert. Eigentlicher Adressat ist denn auch wohl die Allgemeinheit. Sie soll vertrauensvoll zur Kenntnis nehmen, dass der "Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre", dessen Amtsvorgänger früher einmal Generalinquisitor hießen, wie alle übrigen katholischen Gläubigen aufgefordert ist, "Rede und Antwort zu stehen für unsere Hoffnung, aber nicht als Feinde, die anzeigen und verurteilen".
Keine "Schreibtischtheologie"
Das Amtsprofil, das Franziskus da skizziert, ist das eines Werbers für den katholischen Glauben, der realitäts- und lebensnah in einen Diskurs mit der Welt zu treten versteht. Es soll einer sein, der sich nicht mit einer "Schreibtischtheologie" zufrieden gibt und auch in Glaubenssätzen Wichtiges von weniger Wichtigem zu unterscheiden weiß.
Denn "die größte Gefahr entsteht, wenn sekundäre Themen die zentralen in den Schatten stellen". Diese Neukalibrierung der Glaubensbehörde ist im Licht der Kurienreform von Franziskus zu sehen. Sämtliche Kurieneinrichtungen sollen auf das Ziel der Glaubensverkündigung ausgerichtet sein. Im Brief an Fernandez betont der Papst auch, dass er sich nicht um Disziplinarangelegenheiten kümmern möge - namentlich die Verfolgung sexuellen Missbrauchs, für die es eine eigene Abteilung unter dem Dach der Behörde gibt -, sondern um den "Hauptzweck": den Glauben.
Wenn Philosophie, Theologie und Seelsorge respektvoll und in Liebe Hand in Hand gehen, so Franziskus, wird dies "die christliche Lehre wirksamer bewahren als jeder Kontrollmechanismus".
Der bisherige Glaubenspräfekt, Kardinal Luis Ladaria Ferrer, geht nun in Ruhestand. Nächsten April wird er 80. Eigentlich wollte er den Posten schon mit Ende seines fünfjährigen Mandats im Sommer 2022 abgeben; es hätte mit dem Abschluss der Kurienreform gut zusammengepasst.
Wie wird der Neue ankommen?
Wie die jetzige Wahl ankommt, steht dahin. Franziskus könnte jedenfalls kaum jemand Besseren finden, um sein theologisches und seelsorgliches Programm fortzuschreiben. Bezeichnend ist eine Anekdote, die Fernandez selbst vor vielen Jahren der Zeitung "La Nacion" erzählte.
Als er ein junger Priester war, Mitte Dreißig, wurde ihm die Leitung des theologischen Instituts in Bogota angeboten. Er wandte sich an seinen Erzbischof, Jorge Bergoglio, den heutigen Papst. "Auf keinen Fall", antwortete der auf die Bitte um Freistellung. "Sie werden für was anderes gebraucht."
Der bisherige Glaubenspräfekt Ladaria stand der Behörde seit 2017 vor. Er gehört wie Franziskus dem Jesuitenorden an.
Für die katholische Kirche in Deutschland war bedeutsam, dass der von Mallorca stammende Ladaria unter anderem an der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt studierte und gut deutsch spricht. Seine fünfjährige Amtszeit endete im Juni 2022.
Spekulationen über die Nachfolge richteten sich zeitweise auf den Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer.