"Ich möchte vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas laufen und vom östlichsten zum westlichsten", beschreibt Paus, der bis zu seiner Emeritierung im vergangenen Jahr als Gefängnisseelsorger in Geldern tätig war, die Route. Vom Nordkap bis nach Sizilien und von Istanbul zum spanischen Kap Finisterre will er pilgern. Für die rund 12.000 Kilometer wird er mindestens zwei Jahre unterwegs sein, schätzt Paus. Am Dienstag, 25. Juli, ist Start. Gebetsanliegen nimmt Paus unter hansgerdpaus@googlemail.com entgegen.
Ein steter Bewegungsdrang, Neugierde auf das Leben und die Menschen und eine unbändige Lebensfreude, die nicht nur einmal durch schwere Unfälle und Erkrankungen herausgefordert wurde, begleiten Paus durch sein Leben, so lange er denken kann. Es war die Bibel, die ihn schon als Jugendlichen faszinierte, und früh zu der Entscheidung führte, Theologie zu studieren und schließlich auch Priester zu werden. Gleich mehrere Fragen beschäftigten Paus und er wollte Antworten finden – auf unkonventionelle Weise.
Um herauszufinden, was es mit der Auferstehung auf sich hat, heuerte er als Bergmann auf der Zeche Pattberg zwischen Kamp-Lintfort und Moers an. "Ich wollte jeden Tag, tiefer als die Toten begraben werden wieder hochkommen'", so formulierte er es damals. Warum alle wesentlichen Dinge in der Bibel auf einem Berg geschehen, dem versuchte er 1993 als Hüttenwirt auf 3.194 Metern in den italienischen Alpen auf die Spur zu kommen. Eine "überwältigende Erfahrung" für den damaligen Kaplan, der kurz vor der Ernennung zum Pfarrer in Münster stand: "Das Gefühl, Gott nahe zu sein, war real. Aber auch das Gefühl, auf ihn angewiesen zu sein. Diese Zeit, in der ich der Natur ausgesetzt war, lehrte mich die Demut."
Immer wieder ging Paus auch die Aussage aus dem Matthäus-Evangelium "Der Menschensohn hat nichts, wohin er sein Haupt legen kann" nach. "Warum leben wir Kirchenleute nicht weniger sesshaft?", diese Frage stellte sich der Priester – und ergriff 2008 zwischen zwei Stellen die Gelegenheit, ein Jahr lang in einem zu einem Wohnmobil umgebauten VW T4 zu leben. "An eine Bullitür zu klopfen, fiel den Menschen leichter, als die Klingel am Pfarrhaus zu betätigen", machte Paus die Erfahrung: "Es war ein Jahr voller unzähliger guter Gespräche".
Körperliche Fitness ist für den 66-Jährigen das A und O
Mit seiner Pilgertour durch Europa möchte der Ruhestandspriester nun herausfinden, was es mit dem biblischen Motiv "auf dem Weg sein" auf sich hat. "Die zentralen Personen in der Bibel sind alle unterwegs. Und auch die Kirche selbst nennt sich 'Volk Gottes auf dem Weg'", erklärt Paus. Weil er selbst die Kirche eher sesshaft und behäbig wahrnimmt, möchte er sich auf den Weg machen. "Was macht das mit mir, unterwegs zu sein? Nicht nur einen Spaziergang anzutreten, sondern mit dem Weg eins zu werden?" Diese Fragen begleiten Paus auf seiner Wanderschaft. Schon in den letzten Jahren als Gefängnisseelsorger am Niederrhein begann er, sein Hab und Gut zu verschenken, nur noch das Wesentliche zu behalten. Inzwischen lebt er auf ein paar Quadratmetern in Sendenhorst – dort leben enge Freunde des Priesters, die ein Auge haben werden auf das Wenige, das Paus besitzt.
Körperliche Fitness ist für den 66-Jährigen das A und O. Nach einem Lawinen-Unglück, einem Paragliding-Absturz und einer Krebserkrankung kämpfte er sich immer wieder zurück – nicht zuletzt mit Unterstützung seines langjährigen Physiotherapeuten und inzwischen guten Freundes Michael Simon, der ihn seit vielen Jahren in seiner Praxis in Münster behandelt. Waren es früher diverse Marathons und Ultramarathons, sind es inzwischen lange Pilgerstrecken und 100-Kilometer-Märsche, mit denen sich Paus im Training hält. Seit rund 15 Jahren bereitet er sich akribisch auf die vor ihm liegende Tour vor, pilgerte mehrmals den Jakobsweg und 2014 zur Probe die Strecke vom Nordkap nach Kautokeino, kurz vor der Grenze zu Finnland. Auf diesen 450 Kilometern, die er allein durch die Wildnis wanderte, begegnete er Wölfen und ernährte sich tagelang nur von kleinen Stücken Brot und Beeren. "Ich trage ein Urvertrauen in mir, dass schon alles gut gehen wird", sagt Paus.
Gebetsanliegen mit auf den Weg nehmen
Der Respekt bleibt trotzdem – nicht nur vor möglichen körperlichen Grenzen, sondern auch vor der Einsamkeit. "Das Alleinsein wird zwischendurch sicherlich Fragen aufwerfen nach dem Sinn dieses Weges, aber dieser Kampf gegen mich selbst fasziniert mich einerseits und ist andererseits auch die größte Herausforderung", erklärt er. Für Paus hat die Tour viel mit Veränderung zu tun: "Eine positive Veränderung kann es aus meiner Sicht nur geben, wenn ich mich selbst auf den Weg mache – und zwar jeden Tag. Das, was mein Geist fordert, möchte ich mit meinem Körper umsetzen." Die vielen Begegnungen und Erfahrungen auf seinen bisherigen Pilgerwegen bestätigen Paus: "Ich habe so tolle Menschen kennengelernt, mich auf fremde Kulturen eingelassen und Länder erkundet – das hat mein Leben in vielerlei Hinsicht bereichert."
Selbiges erhofft sich Paus für die vor ihm liegende Tour, für die er aktuell täglich mehrere Kilometer läuft, um fit zu bleiben. Der 80 Liter fassende Rucksack liegt bereit, Schlafsack und Zelt ebenfalls. Für eines wird immer Platz sein: "Ich möchte verschiedene Gebetsanliegen von Menschen auf meinen Weg mitnehmen", kündigt Paus an und lädt dazu ein, ihm vor und während seiner Pilgertour Gebetsanliegen per Mail an hansgerdaus@googlemail.com zuschicken. "Ich werde viele Stunden und Tage allein sein, möchte mit meinen Gedanken dadurch aber konkret bei den Menschen bleiben."
(Quelle: Ann-Christin Ladermann für das Bistum Münster/06.07.2023)